Montag, 18. Oktober 2021

Döner-Radar

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 19

vermöbeln
Cevapcici
schmelzend
lauschig
Zugzielanzeiger


Überschrift: Döner-Radar

Letztens stand ich mal wieder verloren am Freiburger Hauptbahnhof, Gleis 1. Der Zugzielanzeiger informierte mich alle zehn Minuten über die zunehmende Verspätung meines Zuges, der miese Kaffee in meiner Hand wurde immer lauer und die laue Stimmung in meinem Kopf wurde immer mieser. Irgendwann erreichte ich den Punkt, an dem ich kurz davor war, überzukochen. Ich rief meine Freundin an um mich tierisch aufzuregen, damit ich mich abregte. Das funktioniert meistens recht gut und am Ende führten wir ein ganz normales Gespräch. In diesem Gespräch habe ich zum ersten Mal in meinem Leben das Wort ‚Döner-Radar‘ gehört. Die Rede war von einer Freundin, die angeblich über einen solchen Döner-Radar verfügte. Sie war in der Lage, die besten Dönerläden Freiburgs aufzuspüren und es vergingen höchstens ein paar Tage, sobald ein neuer Dönerladen eröffnet hatte, bevor dieser auch von ihr gefunden und ausprobiert wurde. Dann wurden ein paar Freunde zusammengetrommelt und gemeinsam ein Großteil der Karte durchprobiert.
Ich dachte nur: „Döner-Radar, das klingt catchy. Es müsste eine App geben, die so heißt.“ Vielleicht eine, die anzeigt, wo sich in der Nähe der nächste Dönerladen befindet, der Cevapcici anbietet und die mit einem piependen Geräusch Eilmeldungen ausspuckt, sobald man sich einer lohnenden Dönerbude nähert oder in der Heimatstadt eine neue Döneranlaufstelle zu finden ist. In der App muss man sich natürlich ein Benutzerprofil anlegen. Darin ist ein Foto zu sehen, auf dem man mit Sonnenbrille in den Lieblingsdöner beißt. Darunter steht dann: „Kein Kraut, viel Fleisch“, „Vegan mit allem“ oder „Bloß keine Tomaten“, der Dönermann respektive die Dönerfrau scannt die App und weiß dann sofort: Aha, so jemand bist du also. Die App-Nutzenden können Rezensionen schreiben, natürlich als Sprachnachricht. So wissen alle, wo lohnt. Eventuell gibt es noch eine Plus-Mitgliedschaft, die weitere Funktionen freischaltet. Dann kann man sich zum Döner-Tandem verabreden und trifft Menschen mit gleichem Geschmack. Oder mit unterschiedlichem Geschmack und man bestellt für die jeweils andere Person, um das individuelle Spektrum bekannter Gerichte zu erweitern. Das passiert freundschaftlich oder als Partnerbörse, das bleibt einem selbst überlassen. Nach den Elitepartner-Beziehungen und den Tinder-Bekanntschaften gibt es dann die ersten Döner-Pärchen, die bei Lahmacun wild knutschend die Menschen in den Parks und Fußgängerzonen belästigen oder sich mit wehenden Knoblauchfahnen in der Straßenbahn vermöbeln.
Die Döner-Pärchen feiern Döner-Hochzeiten in den lauschigsten Dönerbuden der Stadt. Nach der Hochzeit zeugen sie Döner-Kinder, denen sie Döner-Namen geben. Pide ist die kleine Schwester von Sucuk, der in der Grundschule zweimal sitzen bleibt, in der 9. Klasse sorgt sein Oberlippenbart für schmelzende Blicke bei den Mitschülerinnen und mit 20 wird er zum zweiten Mal Vater. Pide dagegen schafft es aufs Gymnasium, wo sie Ayran kennenlernt, den sie ein paar Jahre später heiratet. Sie schaffen es in die BILD-Zeitung, weil sie das erste Döner-Pärchen-Kinder-Ehepaar mit Döner-Pärchen-Kinder-Kindern sind. Das Döner-Tandem auf der Döner-Radar-App ist mittlerweile so populär geworden, dass es im Volksmund als ‚Dönern‘ bezeichnet wird. Jung und Alt sitzt dönernd auf den öffentlichen Plätzen oder wischt sich auf der Suche zum Dönern in der Supermarktschlange durch die App. Die beliebtesten Döner-VerkäuferInnen sind auf den immer häufiger stattfindenden Döner-Hochzeiten gern gesehene Gäste, meist liefern sie das Festessen, bisweilen halten sie die Traureden.

„Hörst du mir überhaupt zu?“ Meine Freundin ist immer noch am Telefon und tierisch sauer. Sie hat was von irgendwelchen IKEA-Möbeln erzählt und mir eine Frage gestellt, ich habe kaum zugehört und jetzt stehe ich blöd da. „Mein Zug kommt“, antworte ich knapp und es ist gar nicht mal gelogen, denn in diesem Moment trudelt der ICE nach Hamburg mit 50-minütiger Verspätung ein.

Mittwoch, 15. September 2021

Schlafende Hunde bellen nicht

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...

Challenge Nr. 18


Binse
gefällig
Wechselorgie
flamboyant
abstuhlen

Überschrift: Schlafende Hunde bellen nicht


Wie alle Schreibenden wissen sollten, ist das Schreiben allem voran eine Fleißfrage. Das Texteschreiben fällt mir halbwegs schwer, aber um ein Vielfaches leichter als noch vor ein paar Jahren. Das Überarbeiten hingegen, vor dem sich die meisten Schreibenden drücken, macht mir geradezu Spaß. Aber es gehört noch viel mehr dazu, wenn man erfolgreich schreiben will. Man muss nämlich lesen, wahnsinnig viel lesen. Gute Texte und hervorragende Werke um zu lernen, wie es richtig geht, schlechte Texte und miese Geschichten um zu erkennen, wie es nicht geht. Wer es mit dem Schreiben ernst meint, sollte wöchentlich mindestens fünf Stunden lesen, am besten zwanzig. Ich lese nicht einmal zwei Stunden in der Woche. Es fällt mir schwer, zu lesen, wenn es mich nicht packt und mich packen nicht einmal die herausragenden Texte, da ich mich zu packen lassen weigere. Mein Freundeskreis beschenkt mich wild mit Büchern, ständig bekomme ich Empfehlungen oder leihweise ein Buch in die Hand gedrückt. Es hilft alles nichts.
Zu Recht stelle ich mir die Frage, ob ich es mit dem Schreiben ernst meine. Die Antwort lautet: Wahrscheinlich nicht. Dass eine Reise von 1000 Meilen mit dem ersten Schritt beginnt ist eine Binse und womöglich habe ich die ersten Schritte getan. Dabei bin ich aber nicht der zielgerichtete Wanderer, der strammen Schrittes seine Meilen hinter sich legt. Viel eher bin ich am Flanieren und lasse keine Gelegenheit aus, stehenzubleiben und die Landschaft zu betrachten. Meine zaghaften Schreibversuche sind stetig, stets bemüht und führen zu nichts. Die Ergebnisse sind meist gefällig, selten außerordentlich und selbst geneigte LeserInnen neigen zum Vergessen meiner Texte. Ich stelle mir viele Fragen nach dem Wie und nach dem Was, über all dem steht die Frage nach dem Sinn. Mein Kopf qualmt regelmäßig. Das nervt und ich versuche etwas dagegen zu tun.
In letzter Zeit gehe ich gerne mal mit dem Hund, das ist gut für mein Wohlbefinden. Der Hund ist eine Sie, gut erzogen, geht Fuß, wenn man „Fuß“ sagt, will immer spielen aber wenn das nicht geht ist das auch okay und wenn man eine Weile nichts sagt, läuft sie zum nächsten Busch um abzustuhlen. Die Hundescheiße mit dem Kotbeutel aufzuheben gehört sicher nicht zu meinen Lieblingsaufgaben, aber ein paar kleine Unannehmlichkeiten nehme ich gerne in Kauf. Sie schaut mich immer mit diesem Blick an, der mich wissen lässt, dass sie mich mag und der mich glauben lässt, dass sie meine Probleme versteht und dass das alles gar nicht so schlimm ist. Dann geht es mir besser und der Kopf qualmt etwas weniger, vielleicht liegt das aber auch an der Bewegung und der frischen Luft.
Letzte Woche saß ich mal wieder an einem Text und wusste nicht weiter. Meine Freundin kam ins Zimmer. Sie trug das flamboyante Sommerkleid, das ihren feurigen Charakter so herrlich unterstreicht. Neugierig fragte sie mich nach den fünf Wörtern, da nicht sie es war, die mir die Wörter für die Challenge vorgegeben hatte, sondern mein Freund Hanno aus Berlin. Leicht argwöhnisch stolperte sie über die „Wechselorgie“. Sie hielt den Begriff für versauten Gruppenspaß, ich musste sie enttäuschen und darüber aufklären, dass ich vermutlich über Fußball schreiben würde. Sie hasst Fußball und das Rasentheater interessiert mich schon lange nicht mehr wie einst, aber die Wechselorgie wollte das so. Letztendlich schrieb ich über Fußball, ohne etwas darüber zu wissen. ‚Das kann eigentlich nicht sein‘ dachte ich und beschloss, mich künftig besser zu informieren. Jetzt lese ich jede Woche fünf Stunden Kicker.

Freitag, 27. August 2021

Seelenschimmel

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 17


Popelproduktion
schrubben
Schweinefleisch
Mundgulli
nassforsch

Überschrift: Seelenschimmel


Inmitten der Nacht und des Alptraums erwacht,
das Fenster auf Kipp und nen Minztee gemacht,
der Rotwein von gestern steht auf meinem Tisch,
die Zeitung ist alt und mein Mundgulli frisch.
Der Rotwein schmeckt gut, er liegt schwer auf der Zunge,
die Leber schreit „Mehr!“ und ich rauche auf Lunge.

Im Haus lange Stille, dann Kindergekreisch,
ich gehe zum Kühlschrank, ein Rest Schweinefleisch
mit ein paar Kartoffeln und Ketschup und Kraut,
ist gut gegen Hunger und schlecht für die Haut.
Ich schlinge und trinke, greif zur zweiten Flasche,
ein Fleck auf die Tischdecke, die ich nie wasche.

Zum Ende der Flasche im Osten ein Grauen,
ich leg mich ins Bett um ne Tüte zu bauen.
Die Mische zu mäßig, die Geilheit zu groß,
das Gras in der Birne, die Asche im Schoß.
Ich bin super müde, doch Schlaf find ich keinen,
ich schau ein paar Pornos und schrubbe mir einen.

Ich bin aufgekratzt, deshalb geh ich spazieren,
die Stadt erst erwacht, ich ertrag es mit Bieren.
Die Sonne geht auf, --- lange wundert mich schon
dieses Zeug in der Nase, die Popelproduktion
lässt mich kurzatmig werden, ich schnäuz in ein Tuch,
ne Ader platzt auf bei dem Ausschnäuzversuch.

„Na, wieder auf Koks?“ werd ich nassforsch gefragt.
„Immer.“ Doch fast hätt ich „Wichser“ gesagt.
Ich sitz an der Dreisam, ich hasse die Welt,
ich hab wenig Freunde, noch weniger Geld.
Zu Haus leichter Kopfschmerz, ne Kruste am Pimmel,
ich schreib ein Gedicht und es heißt Seelenschimmel.

Montag, 16. August 2021

Frisch Geduschte schlafen länger

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 16


Eierschalensollbruchstellenverursacher
peitschen
Einfühlungsvermögen
glitschig
Pissnelke

Überschrift: Frisch Geduschte schlafen länger


Früher habe ich täglich geduscht. Jeden Morgen nach dem Aufstehen, meist war es schon mittags, habe ich mich unter die Dusche gestellt, die Haare gewaschen und mich eingeseift. Danach war ich wunderbar sauber und wach und der Tag konnte beginnen. Ich war zufrieden und wäre es wahrscheinlich geblieben, aber die Menschen sind anders. Sie waren entsetzt darüber, dass ich täglich dusche und gifteten mich an: „Das ist total ungesund für die Haut!“ und „Denk doch mal an die Umwelt!“ Das sah ich ein und es erklärte auch die leicht schuppige Haut, also ging ich dazu über, nur noch alle zwei Tage zu duschen. Manchmal vergaß ich, ob ich am Tag zuvor geduscht hatte und duschte nur noch alle drei Tage. Die Menschen nickten zufrieden über mein leicht fettiges Haar, andere Menschen waren anders. Sie gifteten mich an: „Du bist ja eklig!“ und „Das ist ja mega unhygienisch!“  Ich solle gefälligst täglich duschen. Ich versuchte mich zu verteidigen, dass ich an meine Haut und die Umwelt denke, außerdem wechsele ich ja täglich meine Unterwäsche. Aber das wollten sie nicht hören.
Ich habe ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und möchte es allen Menschen recht machen, also fasste ich einen Plan. Ich traf mich mit den Duschgegnern wann immer ich wollte, mit den Duschfanatikern nur noch an Duschtagen. Das monats- und wochenweise vorausschauende Planen der Treffen war nicht ganz einfach, also legte ich bestimmte Wochentage fest, an denen ich duschen würde. Dienstags und donnerstags, weil D wie Duschtag. Dann der Samstag und als Bonus der Sonntag, weil warum nicht und S wie Schaum.
Jetzt waren alle happy und ich auch, allerdings hatte ich an den Tagen, an denen ich nicht duschte, erhebliche Probleme beim Aufstehen. Oft kam ich nicht vor 12 Uhr aus dem Bett und meistens ging in den ersten Stunden nach dem Aufstehen alles schief. Der Kaffee landete ungemahlen in der French Press, das Müsli in der Kaffeemühle und das Frühstücksei war eine riesengroße Sauerei, weil ich es nicht an der richtigen Stelle aufgeschlagen bekommen habe und den glitschigen Inhalt auf dem Tisch verteilte. Ich kaufte mir einen Eierschalensollbruchstellen-verursacher, ein Werkzeug, von dem ich dachte, dass ich niemals Verwendung dafür finden würde. Die Konstruktion aus Edelstahl kostet gut 20 Euro und wird auf das Frühstücksei im Eierbecher gesetzt, ein Gewicht in Form einer Kugel wird an der Stange nach oben geschoben und aus knapp 30 Zentimetern Höhe fallen gelassen. Danach öffnet sich das Ei angeblich kinderleicht an der idealen Stelle. Es klappte zunächst überhaupt nicht, mit ein bisschen Übung mäßig, mittlerweile esse ich keine Frühstückseier mehr. Der Eierschalensollbruchstellenverursacher liegt ohne Verwendung in der Schublade, nur wenn ich Besuch bekomme beantworte ich regelmäßig und geduldig die Frage nach der sexuellen Praktik, die mit diesem Gerät in Verbindung stehen könnte.
Seit ein paar Monaten frühstücke ich nicht mehr allein, dann geht deutlich weniger schief. Es ist wie mit dem Aufstehen, das klappt dann auch besser. Ich bräuchte jeden Morgen jemanden, der mir die Bettdecke wegzieht und mich aus dem Bett peitscht. Oder mich mit Wasser besprüht, dann bin ich sofort hellwach. Es muss ja nicht mal eine Person sein, eine Maschine würde reichen. Oder eine Pflanze, womöglich können die das auch. Eine Blume oder so. Vielleicht eine Pissnelke.

Mittwoch, 11. August 2021

Kurz vor Knast

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 15


Bettkante
gediegen
Dauerwelle
Chichi
sprudelig

Überschrift: Kurz vor Knast


Es gibt diese Tage, an denen ich von niemandem etwas wissen will. Tage, an denen ich nicht ans Telefon gehe. Tage, an denen ich mich im Bett wälze, bis ich irgendwann erschöpft von der Bettkante plumpse. Tage, die sich wie eine Woche anfühlen und an deren Ende ich einfach nur froh bin, dass sie vorbei sind. So ein Tag war mein Geburtstag.
Ich bin 36 geworden und es tut ein bisschen weh, dagegen war mein 30. Geburtstag ein Witz. Die 40 rückt näher und in einem Jahr bin ich das, was man „Ende 30“ nennt. Wäre ich Profifußballer geworden, hätte ich jetzt meine Karriere bereits hinter mir und würde nur noch in irgendwelchen Klatschzeitschriften auftauchen, weil ich zum zweiten Mal geschieden bin oder besoffen an irgendeine Hauswand gepinkelt habe. Als Kind habe ich davon geträumt, Profifußballer zu werden, jetzt bin ich froh, dass ich die Fußballschuhe und meine Karriere als Langzeitstudent an den Nagel gehängt habe und endlich ein normales Arbeitsleben beginne.
Früher dachte ich immer, dass ich 72 Jahre alt werde und dann zufrieden sterbe, demnach hätte ich jetzt die Halbzeit erreicht und müsste eine Midlife-Crisis haben. Vielleicht werde ich doch ein paar Jahre älter, da die erwartete Unsicherheit bisher ausbleibt. Ich überlege noch, was ich anstellen werde, wenn es mit der Midlife-Crisis endlich so weit ist. Ich bin nicht der Typ, der sich ein Auto, ein Motorrad oder einen Hightech-Rasenmäher kauft. Ich glaube eher, dass ich körperliche Veränderungen vornehme. Eine Penisvergrößerung ist mir zu teuer und Tattoos mag ich nicht, wahrscheinlich trainiere ich mir ein Sixpack an und lasse mir eine wundervolle Dauerwelle machen. Regelmäßiges Sonnenstudio und Bräunungscreme verpassen mir einen südländischen Teint, ich liege mit Sonnenbrille und Gewinnerlächeln gediegen im Freibad und versuche, den Teenies zu gefallen. Es misslingt mir fürchterlich, ich bekomme eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und zahle eine empfindliche Geldstrafe. Ich bin beschämt und frustriert, ändere meine Pläne und fange an zu backen. Nur Kuchen, keine Torten, ohne Chichi. Ich backe wie bekloppt, will aber nicht dick werden, also verschenke ich an Freunde und Nachbarn. Die freuen sich wie Bolle und backen zurück, ich kann nicht anders und werde dick. Irgendwann bin ich so dick, dass ich keinen Teig mehr ausrollen kann, dann gibt es nur noch Gugelhupf. Ich brauche einen Gehstock und meine Angehörigen diskutieren einen Treppenlift, ich habe die Schnauze voll und mache Radikaldiät.
Ein halbes Jahr später bin ich 50 Kilo leichter, mein Diätarzt ist begeistert und seine Marketingabteilung lässt mich ein Buch schreiben, auf das sich die Dicken stürzen. Ich werde reich, weiß nicht wohin mit meinem Geld und suche mein Heil im Alkohol. Ich begeistere mich für Champagner, der ist teuer genug und herrlich sprudelig. Ich entdecke meine Lieblingsmarke und bestelle wöchentlich zwei Kisten. Nach einem Jahr wird mir ein Job als Markenbotschafter für meine Lieblingsmarke angeboten. Ich reise um die Welt und Flatrate-trinke Champagner. Mittlerweile bin ich Ende 50, habe drei Kinder und die zweite Scheidung hinter mir. Die Kinder werden groß und streiten sich um mein Erbe, ich werde immer kleiner und streite mich mit meiner dritten Frau. Mit Mitte 80 ist dann Schluss und irgendwie ist das für alle ganz gut so. Bei meiner Beerdigung trinken Familie, Freunde und ehemals Dicke Champagner, es gibt Kuchen, keine Torten und irgendwer spielt Musik.
Bis dahin habe ich noch reichlich Zeit, ich mache Sport, stürze mich ins Arbeitsleben und bereite mich auf meine erste Hochzeit vor. Abwarten, vielleicht kommt alles ganz anders. Nächstes Jahr bin ich Ende 30.

Sonntag, 11. Juli 2021

Sommer, Sonne, Kaktus

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 14


Glühwürmchen
Wimpel
hinfläzen
enorm
schnippeln

Überschrift: Sommer, Sonne, Kaktus


So.
Sommer.
Sommer jetzt.
Sommer jetzt noch.
Sommer jetzt noch?
Sommer jetzt noch einen trinken?
Ich sitze in der Bar und draußen scheint ausnahmsweise mal die Sonne. Ist mir relativ egal, ich bleibe drinnen. Draußen reden sie alle doch nur über das Wetter. Oder Fußball. Oder Impfen. Es ist immer das Gleiche und dann doch wieder ein bisschen anders, am Ende ist es alles der gleiche Scheiß. Ist mir völlig egal. Soll die Sonne doch scheinen und sollen sie heute Fußball gucken: Erst drücken sie sich lachend einen Wimpel in die Hand, dann spielen sie, dann weinen alle und einer gewinnt. Sollen sie sich alle impfen lassen oder nicht, sollen sie doch bitte gesund oder bitte zu Hause bleiben. Mir egal, sowas von egal. Ich will nur noch einen Drink oder ein Bier. Ich kann mich nicht entscheiden, nehme einen Entscheidungs-Shot und bestelle danach beides. Ich trinke schnell, schon sieht die Welt ein bisschen besser aus und ich ein bisschen schlechter. Macht aber nix, sieht ja keiner. Ich mache dem Barmann gegenüber eine unmissverständliche Geste und er stellt mir ein neues Dreiergedeck hin. Ich trinke den Shot, mache dem Barmann gegenüber eine missverständliche Geste, nehme mein Bier und meinen Drink und bewege mich unbeholfen von der Bar zur Sitzbank, um mich hinzufläzen. Zwei Gedecke später die ersten Scherben. Irgendwas muss vorgefallen sein. Der Barmann bringt die Rechnung und zeigt die Tür. Ich zahle die Rechnung und zeige den Vogel. Draußen bin ich raus.

Nicht.
Nicht nochmal.
Nicht nochmal so.
Nicht nochmal Sonne.
Nicht nochmal sonne Scheiße.
16 Monate ist es her. Meine Müdigkeit, was das Corona-Thema anbelangt, hat ein Level erreicht, dass ich während eines Fallschirmsprungs einschlafen könnte. Jetzt gehen die Zahlen wieder hoch und alle reden von der Delta-Variante und einem dritten Lockdown. Wenn ich das nur höre, werde ich wütend, enorm wütend, geradezu fuchsteufelswild. Ich wechsele dann radikal das Thema, ich rede über Selbstverteidigung oder Spinat. Manchmal gehe ich auch wortlos in die Küche und fange an, Gemüse zu schnippeln. Wenn mich jemand darauf anspricht, was ich da mache, antworte ich „Eintopf“ und schnippele weiter. Der Eintopf wird meistens kein Eintopf, sondern eine Suppe. Die esse ich kochend heiß, ich verbrenne mich daran und gehe zum Arzt. Der Arzt schüttelt den Kopf und macht einen Corona-Test. Dann schüttelt er den Kopf und fragt mich, wie ich heiße, wo ich gerade bin und welches Datum wir heute schreiben. Danach schüttelt er den Kopf und ruft die Sprechstundenhilfe.
Zu Hause muss ich meinen Mund mit Hilfe von einem Wattestäbchen mit einer Salbe einschmieren, außerdem bekomme ich eine Mundspülung verschrieben und eine Schonkost. Ich trinke kaltes püriertes Gemüse und träume. Ich träume davon, im Schatten der Bäume an der Dreisam zu liegen. Ich träume davon, in der Dreisam zu baden und danach ein kühles Radler zu trinken. Ich träume davon, am Abend zu grillen und den Grillen beim Zirpen zuzuhören, während die Sonne untergeht. Ich träume davon, in warmen Sommernächten auf der Wiese zu liegen und die Glühwürmchen zu zählen. Ich träume von einem besseren Sommer.
In letzter Zeit habe ich zu viel geträumt und vergessen, meine Zimmerpflanze zu gießen. Die ist langsam eingegangen und sieht ziemlich traurig aus. Im Laden haben sie mir geraten, eine Pflanze zu kaufen, die etwas pflegeleichter ist. Jetzt habe ich einen Kaktus.

Sonntag, 4. Juli 2021

Sonntag

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme einige Wörter vorgegeben, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 13


Dekolleté
blühen
voluptuös
ewig
Funke
Gezwitscher
entsaftet


Sonntag

Ein Sonnenstrahl durchdringt die Luft, als wär’s ein erster Funke.
Entsaftet liegt der Mann im Bett, mit einem Hauch von Tunke.
Die Blumen blüh’n voluptuös, der Vögelein Gezwitscher,
klingt animierend, fast pornös, die Welt, als ob sie Kitsch wär.
Die Kinder laufen Hand in Hand zum Spielplatz, wo sie streiten,
die Katze wartet ganz gespannt, sie hofft auf bess’re Zeiten.
Die frommen Alten schlurfen eingerostet zur Kapelle,
das eine Mädchen muss mal, hampelt heftig auf der Stelle.
Der alte Mann mit seinem Hund, hebt dessen Kacke auf,
die Jogger joggen ohne Grund, sie haben einen Lauf.
Ein kleines Kind rennt Runden, denn endlich kann es laufen,
der Papa trinkt seit Stunden, denn endlich kann er saufen.
Im Garten gräbt der graue Gert, gräbt gerne, gut und stetig,
ein Polizist auf einem Pferd, er glaubt, der Gert gräbt ewig.
Ein Winterkind vermisst den Schnee, die Mutter hat ihr Dekolleté
mit bunten Blüten fein drapiert – der Blickfang funktioniert.
Im Fernsehen läuft ein Streifen, er handelt vom Gewinnen,
grüne Mangos reifen, --- auf der Heizung drinnen. 

Sonntag, 27. Juni 2021

Es klappert in der Hose

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 12


Eieruhr
Vollnussschokolade
tunken
ständig
fleckig

Überschrift: Es klappert in der Hose


Ene mene Miste,
es rappelt in der Kiste.
Ene mene Meck
und du bist weg!

Ene mene Mose,
es klappert in der Hose.
Ene mene Mehn
und du musst geh’n!

Es ist Fußball-Europameisterschaft und so langsam lichtet sich das Feld. Nach und nach verabschieden sich die Mannschaften und fahren nach Hause – erst die ganz Kleinen, später auch die Favoriten. Erst gestern ist Topfavorit Österreich gegen das kleine Italien aus dem Turnier gepurzelt.
Apropos purzeln: Ich habe mich dagegen entschieden, auch nur ein einziges Spiel dieses Turniers anzuschauen, stattdessen werde ich gemütlich an der Dreisam sitzen und die Eier purzeln lassen, ohne ständig auf mein Smartphone zu schauen. Gerade während der Deutschland-Spiele ist an der Dreisam herrlich viel Platz, hier halten sich Fußballunbegeisterte auf und trinken Radler, während sie ihre schweißnassen Füße in den Fluss tunken.
Apropos tunken: Vor etwa drei Wochen, unmittelbar vor dem ersten Hitzeeinbruch, habe ich noch Nussecken gebacken. Die Nussecken werden besonders gut, wenn man sie großzügig mit Konfitüre (Aprikosen-Konfitüre!) bestreicht, bevor die klebrige Nuss-Butter-Zucker-Mischung darauf verteilt wird. Der letzte Arbeitsschritt ist das Tunken der Nussecken in die Kuvertüre (Zartbitter-Schokolade!) – ein lästiger Akt, der dennoch Spaß macht, da es der letzte Handgriff ist, bevor die Dinger endlich essbereit auf dem Teller landen.
Apropos landen: Früher dachte ich immer, ich hätte Flugangst, dabei hatte ich nur vor dem Landen Angst.
Apropos Angst: Meine größte Angst beim Schreiben besteht in der Befürchtung, dass mir nichts einfällt. Oder dass ich uninspiriert irgendeinen Scheiß aufschreibe und irgendwann an den Punkt komme, dass ich den Text noch einmal komplett neu schreibe und alles war für die Katz. Dann schreibe ich lieber gar nix. Um das zu verhindern stelle ich mir eine Eieruhr auf 40 Minuten und schreibe, danach mache ich eine kurze Pause und lese mir das Geschriebene durch, dann kann ich nachjustieren. So verhindere ich das Schlimmste.
Apropos das Schlimmste: Das Schlimmste, was beim Backen schief gehen kann, ist, wenn die gewünschte Konsistenz nicht erreicht wird; ein luftiger Boden wird steinhart, eine Füllung stockt nicht, der Kuchen verbrennt oder die Kuvertüre ist fleckig statt glänzend.
Apropos glänzend: Mein Vorhaben, die Fußball-Europameisterschaft zu boykottieren und kein einziges Spiel zu sehen, ist glänzend gescheitert. Am Mittwoch habe ich mich aus Mangel an Alternativen dazu überreden lassen, das deutsche Nicht-Ausscheiden zu bewundern.
Ich hatte mich in den letzten Monaten immer wieder gefragt, warum ich mich kaum noch für Fußball interessiere, dabei war ich doch vor Jahren ein großer Fußball-Fan. Jetzt erstmals wieder ein Kackspiel über die volle Länge zu erleben war Erklärung genug und ich bin froh, in den letzten Jahren kaum ein Fußballspiel gesehen zu haben.
Gut 70 Minuten ist fast gar nichts passiert, das Spiel lebte ausschließlich von der Spannung und dem eigens erreichten Alkoholpegel. Die restlichen 20 Minuten ereigneten sich größtenteils Dinge, die auf diesem Niveau eigentlich nicht zu sehen sein sollten, dilettantisch kommentiert und verharmlost. Ein Ausscheiden wäre verdient gewesen aber der Fußballgott, wie der abgefälschte Schuss von Leon Goretzka auch genannt wird, hatte etwas dagegen. Eine unmotivierte Mannschaft außer Form steht nun also im Achtelfinale gegen England, welches sie voraussichtlich im Elfmeterschießen gewinnen wird.
Vielleicht wird diese EM noch ein großes Fußballfest, vielleicht wird sie aber auch genauso madig wie das verkorkste Ungarn-Spiel.
Apropos madig:

Ene mene Made,
Vollnussschokolade.
Ene mene Maus
und ich bin raus.

Sonntag, 20. Juni 2021

Affenzahn - mein Leben auf der Überholspur

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 11


Techtelmechtel
blähen
futsch
Knauf
prickelnd

Überschrift: Affenzahn – mein Leben auf der Überholspur


Ich habe in diesem Semester mein Studium endlich erfolgreich beendet – nach 20 Fachsemestern und insgesamt 27 Hochschulsemestern. Auf meinem Zeugnis wird mir ein „gut“ (Note 1,77) attestiert, ich bin jetzt ein Bachelor of Arts, nach knapp 14 Jahren ist mein Studierendenstatus futsch. Nächsten Monat werde ich 36 und ich überlege, eine erste Biographie zu schreiben. Das macht man in den 30ern oder in den 40ern, damit alle wissen, was für ein bewegtes Leben man doch hatte. Danach schreibt man im Abstand von 10 bis 20 Jahren weitere Biographien, in denen man alles revidiert und einen anderen Fokus setzt, denn man ist nun ein anderer Mensch und noch interessanter geworden. Den Titel für meine Biographie, „Affenzahn“, habe ich bereits vor Jahren formuliert. Er ist nicht besonders ernst gemeint, aber besonders prickelnd und er sorgt dafür, dass die Menschen das Buch in die Hand nehmen und den Klappentext lesen. Das Kaufargument Nummer Eins ist das Inhaltsverzeichnis, welches danach aufgeschlagen wird. Hier finden sich Kapitelüberschriften wie „Außer Blähen nichts gewesen“, „Ich scheiße, also bin ich“ und „Techtelmechtel mit Hindernissen“. Die Überschriften sind nicht gerade verlockend, machen aber auf merkwürdige Weise neugierig. Als Verkaufspreis hätte ich gerne meinen Jahrgang, aber für 19,85 Euro erwarten die meisten ein gebundenes Buch oder einen Knaller, meine Biographie ist beides nicht. Vielleicht hat das Buch 198,5 Seiten und jedes Kapitel 1985 Wörter, als zusätzliches Gimmick. Oder ein richtiges Gimmick, wie früher in der Micky Maus. Vielleicht hat es goldene Lettern und riecht nach Benzin. Vielleicht hat es ein Vorwort von Harald Martenstein oder Uschi Glas.
In jedem Fall ist der richtige Zeitpunkt für meine erste Biographie erreicht, denn ich habe einen neuen Lebensabschnitt begonnen und fühle mich der jungen Generation schon lange nicht mehr zugehörig. Erst vor wenigen Monaten habe ich mit Entsetzen festgestellt, dass die meisten der unter 25-Jährigen einen komischen Knauf an ihrem Smartphone haben. Dieser komische Knauf kostet zwischen 9 und 50 Euro und wird an der Unterseite des Telefons befestigt. Neben dem Ausbeulen der Hosentasche besteht die einzige Funktion des komischen Knaufs darin, das Fotografieren von Selfies zu erleichtern. Instagram sollte eine Premium-Mitgliedschaft anbieten, bei welcher man einmal jährlich einen komischen Knauf mit einem Design der Wahl zugeschickt bekommt. Das entspricht dem ungefähren Zeitraum, in dem sich die Instagramierenden ein neues Smartphone zulegen. Aber wahrscheinlich wird die Mobiltelefonindustrie einer solchen Idee zuvorkommen und die übergroßen Geräte in Zukunft standardmäßig mit etwas Komischer-Knauf-Mäßigem ausstatten, ohne dabei das Patentrecht zu verletzen.
Jetzt habe ich doch etwas oft „komischer Knauf“ geschrieben und suche im Internet, wie ebendieser komische Knauf korrekt heißt. Die Suche „Knauf Selfie“ führt mich zum größten Schuh der Welt im Knauf-Museum im unterfränkischen Iphofen, welcher sich für ein Selfie anbietet, während man in dem Schuh Platz genommen hat. Ich verfeinere meine Sucheingabe auf „Smartphone Selfie Hilfe“, kann aber nicht herausfinden, wie das Kackteil heißt. Selbst, wenn ich jetzt sofort so ein Ding kaufen wollte, es würde mir nicht gelingen. „Smartphone Selfie Knopf“ – immer noch nichts. „Smartphone Selfie Griff“ – vielleicht ist es ein Griff? In den Shopping-Ergebnissen tauchen viele merkwürdige Dinge auf, aber kein verdammter Knauf. Ich finde einen „Smartphone Handy Finger-Halter Halterung Griff Stand-Halter Selfie Rot“, der hat eine gewisse Ähnlichkeit und wird meine neue Suche. „Selfie Finger Halter“ ergibt die meisten Ergebnisse, jetzt ploppen zahlreiche Bilder merkwürdigster Ringe auf, die so aussehen, als könnte man sich damit übel den Finger verdrehen. Endlich finde ich ein passendes Bild mit der Unterschrift „Socket“. Die Suche ergibt „Popsocket“ oder „Popgrip“. Geht doch, so heißen die Dinger also. Hat mich verdammte 15 Minuten gekostet.

Mittwoch, 9. Juni 2021

Milch macht müde Männer morgens munter

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 10


flauschig
Empfängerhorizont
salzig
Inferno
panieren

Überschrift: Milch macht müde Männer morgens munter


Milch. Milch macht müde. Milch macht müde Männer. Das „morgens munter“ habe ich noch nie verstanden. Morgens bin ich Vieles, aber niemals munter. Morgens bin ich ein schläfriger, grummeliger, müder Mann. Dagegen hilft eine kalte Dusche oder ein starker Kaffee, aber keine Milch. Milch ist trotzdem super: Sie schmeckt lecker, macht schlechten Kaffee trinkbar und ist in nicht zu großen Mengen gesund. Wie jedes andere Tierprodukt sollte sie immer fair und bio sein und mindestens dreimal so viel kosten wie bei Aldi oder Penny.
Kaffee. Kaffee macht müde Männer morgens munter. Kaffee kann Vieles, zu stark aufgebrüht kann Kaffee sogar salzig schmecken. Morgens bin ich ein schläfriger, grummeliger, müder Mann. Dann ziehe ich mir meinen flauschigen Bademantel an und trinke starken Kaffee, am besten eine ganze Kanne. Die letzte Tasse ist meistens kalt, die trinke ich dann mit viel Milch, danach löst sich der Kaffee in einem Inferno, keine Details. Kaffee ist trotzdem super: Er schmeckt lecker, macht schlechte Tage erträglich und ist in nicht zu großen Mengen gesund, jedenfalls bilde ich mir das ein. Wie so viele andere Produkte sollte Kaffee immer fair und bio sein und mindestens dreimal so viel kosten wie bei Lidl oder Netto.
Ich bin ein großer Fan von Kaffee, schon immer gewesen. Kaffee gehört zu meinen absoluten Lieblings-Lebensmitteln, obwohl man ihn nicht panieren, frittieren oder mit Käse überbacken kann. Wenn ich einen Kaffee angeboten bekomme, sage ich meistens sofort „Ja“, Uhrzeit und Status machen da keinen Unterschied, das gleiche Verhalten zeige ich sonst nur bei Bier. Genau wie Bier ist Kaffee in großen Mengen leider ungesund, das habe ich vor ein paar Jahren in Form einer schmerzhaften Magenschleimhautentzündung erfahren müssen. Danach habe ich ein halbes Jahr nur Tee getrunken, ein weiteres halbes Jahr nur wenig Bier und wenig Kaffee und danach wieder Bier und Kaffee in rauen Mengen. Mein Arzt findet das nicht gut, aber meine Werte sind okay und er findet es klasse, dass ich nicht rauche oder Drogen konsumiere, außerdem sind meine Zähne top. Ich verstehe das als ein „Weiter so!“, obwohl ich weiß, dass es nicht so gemeint ist.
An dieser Stelle könnte ich eine Überleitung zum Empfängerhorizont machen, schließlich streife ich hier das Feld einer Willenserklärung, wie die bekloppten Juristen sagen. Aber damit hätte ich die Bedeutung verfehlt, der objektive Empfängerhorizont, wie es richtig heißt, ist nicht ganz einfach zu verstehen und für mich so klar wie Käsespätzle. Was für ein bekacktes Wort ist das denn bitte und wie soll ich das in einen Text einbauen? Soll ich meine LeserInnen einlullen und das Wort unbemerkt weglassen? Ich könnte auch einen befreundeten Juristen fragen, vielleicht hat der ja eine Idee. Oder ich ändere die Challenge heimlich und suche mir ein anderes Wort. Ich weiß es nicht.
Eigentlich sollte ich noch die letzten 100 Wörter schreiben, danach kann ich mein Laptop wutentbrannt zuklappen. Ich habe aber keine Lust dazu, ich will sofort fertig werden, außerdem neigt sich die Kanne Kaffee dem Ende, ich bin bei der letzten Tasse angekommen. Die trinke ich jetzt. Mit viel Milch.

Donnerstag, 3. Juni 2021

Wiegenfest

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 9


Weichmacher
Kosmos
frankophil
coronabedingt
Duschvorhang

Überschrift (Freie Wahl, aber dreisilbig): Wiegenfest


Ein guter Freund, Chris, hatte am Samstag Geburtstag. Erst vor knapp zwei Wochen hat er mir eine WhatsApp-Nachricht geschickt. Angehängt waren fünf Wörter, die ich doch einmal für meine Schreibchallenge nutzen könnte. Das würde ihn freuen. Nun, da er Geburtstag hatte, dachte ich, wäre ein guter Zeitpunkt, seinem Wunsch nachzukommen.

Mein Verhältnis zu meinem Geburtstag ist wie das Verhältnis zu meinem Penis: Ich feiere ihn nicht besonders, finde ihn aber generell gut. Versteht mich nicht falsch, ich schenke gern und liebe es, beschenkt zu werden. Aber das Älterwerden zu feiern finde ich unsinnig, außerdem stehe ich ungern im Mittelpunkt. Da kam es mir gerade recht, dass ich meinen Geburtstag wie so viele Menschen im letzten Jahr coronabedingt erst gar nicht feiern konnte, dieses Jahr wird es ähnlich sein. Zwei Monate habe ich noch Zeit, dann rücke ich der 40 ein weiteres unwiderrufliches Stück entgegen, so langsam wird es eklig. Ich weiß noch nicht, was ich an meinem Geburtstag machen werde. Womöglich verbringe ich mehr Zeit als sonst hinter dem Duschvorhang, denn ich bin begeisterter Warmduscher und beim Duschen muss man keine Nachrichten beantworten oder ans Telefon gehen. Danach kleistere ich mir Weichmacher für den Bart in den Bart und den Schopf und schmiere mir Anti-Aging-Creme ins Gesicht, damit ich mich wieder wie 26 fühle. Wahrscheinlich höre ich auch Musik, die ich seit Jahren nicht mehr gehört habe, fange an zu tanzen und breche mir das Sprunggelenk. Dann fühle ich mich alt und hilfebedürftig, bestelle mir fluchend ein Taxi und lasse mich in die Notaufnahme fahren, denn mein Geburtstag ist ein verdammter Samstag. In der Notaufnahme schmunzeln sie hinter meinem Rücken und der freche Arzt grinst mir ins Gesicht – auf einmal bin ich jung, denn ich habe mit 36 eine Verletzung, für die ich zehn Jahre älter sein sollte. Ich bin beschämt wie ein 14-Jähriger, der zum ersten Mal beim Onanieren erwischt wurde, lasse mir eine Schiene verpassen und verlasse die Notaufnahme so schnell wie möglich. Zu Hause trinke ich eine Flasche Rotwein und spiele „Die Siedler von Catan“ (Kosmos, Spiel des Jahres 1995) gegen mein Über-Ich und mein Es. Mein Über-Ich gewinnt mit vier Städten und der längsten Handelsstraße, ich werde Zweiter und Es ärgert sich über den letzten Platz, weil es einfach nicht ans Erz kam und zu viele Zehnen gewürfelt wurden. Nach der zweiten Flasche Rotwein spüre ich mein Sprunggelenk nicht mehr und gehe schlafen, die dritte Flasche kippe ich über mein Bett. So oder so ähnlich könnte es ablaufen, ist nur so eine Vermutung.
Meinen 40. Geburtstag werde ich in vier Jahren auch nicht groß feiern. Ich werde irgendwo untertauchen, am besten im Ausland, Strand, Ferienhaus, vielleicht Frankreich. Ich bin überhaupt nicht frankophil, ganz im Gegenteil und mein Französisch ist gebrochener als es mein Fuß jemals sein wird. Aber ich liebe den Käse, die Baguettes und den Wein, am liebsten alles zusammen und in großen Mengen. Mit 40 darf ich auch endlich einen Bauch und eine Schnapsnase haben, da ist mir dann alles egal. Um mich herum werden zur gleichen Zeit nach und nach alle 40, deshalb habe ich schon lange die Schnauze voll von den vielen Feiern und genieße die Zeit irgendwo am Meer ohne den ganzen Trubel. Vielleicht wühle ich mich durch alte Texte und lese, irgendwann stoße ich auf diesen Blogbeitrag und nicke zufrieden. Dann fühle ich mich wieder ein bisschen jung und doch schon ein bisschen alt und ich erkenne, dass meine Sorgen unbegründet waren. Ich lege die Zettel beiseite, öffne eine Flasche Champagner und sage: „Gut, dass ich 40 bin.“

Mittwoch, 26. Mai 2021

Kurze und Kippen

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 8


phantasieren
salonfähig
Pömpel
Stützbier
ofenfrisch

Überschrift: Kurze und Kippen


Die Corona-Hochzeit neigt sich dem Ende und in Baden-Württemberg haben seit Samstag vor einer Woche die Kneipen wieder auf, erstmal nur bis 21 Uhr. Ich habe es mir nicht nehmen lassen und bin gleich am Montag um 17 Uhr mit brandaktuellem Corona-Negativtest in eine solche Kneipe gestiefelt. „Schachtel“ heißt der Laden, den ich immer als billige Studierendenkaschemme abgespeichert hatte. Das war damals. Mittlerweile hat sich der Schuppen zu einer überaus annehmbaren kleinen Kneipe gemausert, gemütlich, mit angenehmem Publikum.
Jever, herrlich herb, gibt es dort von der Zapfanlage, die genau wie ich ein halbes Jahr ihr arbeitsloses Dasein gefristet hatte, dazu Willi-Shots. Die Shots sind so eine Art Muss, wenn man sich in die Schachtel begibt, alternativ zu Willi ist auch „Agwa de Bolivia“ sehr beliebt. Grüner Likör aus Koka-Blättern, natürlich aus Amsterdam. Ich als militanter Shotverweigerer und ebenso überzeugter Ja-Sager habe selbstverständlich beide probiert. Pro Bier, versteht sich.
Es dürfte jenseits der ersten Stützbiere gegen 19 Uhr gewesen sein, dass ich mir nicht mehr ganz salonfähig vorkam, erste Anzeichen von Vollrausch verspürte und meinem Spiegelbild versprach, noch maximal einen Shot zu trinken. Kurz darauf kam ich in die Versuchung, zwei weitere Shots zu trinken und mir eine Zigarette zu schnorren. Ich bin chronischer Nichtraucher, so wie ich chronisch faul bin – hin und wieder muss ich doch mal damit brechen.
Also raus an die frische Luft, die sich als helle Hölle herausstellen sollte, durch die ich mir maulwurfgleich mit meiner Lunte in der Hand den Weg bahnte. Die Leute erzählten viel und gar nicht so lustige Dinge, mir war aber danach, zu lachen. Also antwortete ich lustige Dinge und lachte. Vor allem das Wort „Pömpel“ versuchte ich oft und laut einzubringen, irgendwann ersetzte ich jedes Verb durch „pömpeln“. Damit machte ich mir meinen Spaß, aber keine Freunde.
So saß ich für eine Weile allein in der Schachtel, bestellte jede Menge Bier, dazu eine ofenfrische Seele, keine Shots. Hin und wieder wurde mir ein Willi hingestellt, dann machte ich eine Ausnahme. Ich weiß nicht, wie lange ich dasaß und das Kneipentreiben beobachtete, das ich gefühlt seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Man sah den Menschen an, wie sehr sie es vermisst hatten, sich in Gesellschaft zu befinden. Man sah ihnen an, wie lange der letzte Kneipenbesuch her war. Wie gierig sie tranken und wie sehr sie es gleichzeitig genossen. Wie wohl ihnen die Gespräche taten und wie ungeübt sie darin waren.
Ich hatte genug vom Beobachten, mir war jetzt ebenfalls nach einem Gespräch. Ich gesellte mich wieder zu den Rauchenden, sorgte für gute Laune und reichlich Gelächter. Jetzt war ich voll dabei, voll in meinem Element, wo ich doch gar nicht weiß, welches mein Element ist, vermutlich Bier.
Womöglich hätte ich in dieser Nacht noch mit anderen selbstauferlegten Tabus gebrochen, hätte irgendwann harte Drogen genommen, phantasiert und wäre Vater geworden, so kam es aber nicht. Pünktlich um halb neun wurde ich zur letzten Runde gebeten, ich bat um ein letztes Bier und Verzeihung, weil ich die Bestellung hinausrülpste.
Mein letztes Bier schmeckte wie Wasser, und es war Wasser, wie ich erkannte, als ich wieder geradeaus kucken konnte. Anscheinend hatte man hier den Zustand eines verlorenen 35-Jährigen erkannt und ihm zur Rettung seines Abends und des darauffolgenden Tages ein Glas Wasser zugespielt. „Toller Laden“, dachte meine Vernunft und die Unvernunft wollte mehr Bier. Ich bezahlte meine Rechnung, gab vernünftiges Trinkgeld und wankte unvernünftig Richtung Tankstelle. Der nächste Tag war scheiße.

Mittwoch, 19. Mai 2021

Auf Achse

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 7


Treibgut
pittoresk
Fluppe
japsen
Männermelkmaschine

Überschrift: Auf Achse

In Zeiten von Corona ist man immer weniger unterwegs. Zumindest mir geht das so. Man könnte jetzt meinen: Na klar, das liegt daran, dass man nicht mehr so leicht in den Urlaub fahren kann, Italien oder so. Grenzkontrollen, Hotspot-Warnungen, Impfausweise, et cetera. Aber das ist es nicht. Ich bin noch nie groß in den Urlaub gefahren, über die Landesgrenzen hinweg. Aber ich habe gerne Menschen in deutschen Großstädten besucht. Einfach mal so, für ein paar Tage. Menschen besuchen ist eine schöne Sache, außerdem fahre ich gerne mit der Bahn. Am besten ohne umzusteigen, ohne schreiende Kinder, mit viel Platz und unter der Woche zum Super-Sparpreis. In der Bahn kann ich besonders gut schreiben. Die pittoresken Landschaften, die vorüber ziehen sind auf ebenso unerklärliche Weise eine Inspiration wie die japsenden Fahrgäste, die schnaufend ihre Koffer auf die Ablage hieven und sich schnaubend über das Wetter und die Deutsche Bahn beschweren, die ihre Abteile nicht anständig klimatisiert bekommt. Wahrscheinlich ist es die Bewegung, das Unterwegssein, das Bundesländerübergreifende, was mir das Schreiben erleichtert. Das Schreiben verliert den verkrampften Denkprozess auf der Suche nach Wörtern und Sätzen. War das Schreiben gerade noch der verzweifelte Versuch, flussaufwärts zu fahren gegen die Widerstände der starken Strömung, so werde ich auf Bahnfahrten zu einem Stück Treibgut, das sich treiben lässt und sicher ans Ziel gebracht wird – trotz mancher Hindernisse.
Nun ist es aber so, dass ich nur noch äußerst selten Menschen in anderen Städten besuche. Die Menschen sind sehr vorsichtig geworden und ich bin auch nur ein Mensch. Letzte Woche war ich für ein paar Tage in Hamburg. Unter der Woche, Super-Sparpreis, gut sechs Stunden von Freiburg ohne umzusteigen. Ideal für einen Text, könnte man meinen – zumal der Titel des Textes perfekt zu einer solchen Fahrt passen würde. Aber es war anders als vor Corona. Zu wenige andere Fahrgäste, zu wenig Inspiration, zu viele Masken. Vor allem die eigene Maske war ein extremes Hindernis. Normalerweise habe ich kaum Probleme mit dem Tragen einer Maske, aber auf einer stundenlangen Bahnfahrt nimmt sie mir die Freiheit, die ich brauche, um kreativ zu arbeiten. Zugegeben, ich habe nicht einmal versucht zu schreiben. Das lag daran, dass das Feeling nicht das gleiche war wie bei Bahnfahrten in der Vergangenheit. Und wenn etwas beim Schreiben wichtig ist, dann ist es das Feeling, verdammt nochmal.
Ich freue mich auf die Zukunft. Sobald die Maskenpflicht in den Zügen wieder abgeschafft ist, fahre ich Zug wie ein Irrer. Ich düse durch die Republik und schreibe Texte für Bücher, Zeitungen und die Bühne. Ein paar Jahre später verdiene ich damit mein Geld. Ich erspare mir eine Bahncard 100, von der ich schon seit Jahren träume. Dann fahre ich fast täglich quer durch Deutschland und werde so produktiv, dass ich jährlich zwei Bücher schreibe. Bis dahin bin ich auch ein starker Trinker und habe mit dem Rauchen angefangen. Der Flachmann steht immer griffbereit und sobald der nächste Bahnhof angesagt wird, stecke ich mir die Fluppe in den Mundwinkel und spiele nervös mit dem Feuerzeug. Auch dann schreibe ich von einer besseren Zukunft. Ich schreibe von einer Zeit, in der es keine Ungerechtigkeit gibt. Ich schreibe von einer Zeit, in der niemand mehr sagen wird, dass früher alles besser war und in der Zukunftsangst ein Fremdwort ist. Ich schreibe von einer Zeit, in der die Frauen endlich das Sagen haben und die Männer in ihre natürliche Nutzlosigkeit verweisen. Ich schreibe von einer Zeit, in der Typen wie ich ein paar Stunden am Tag Texte produzieren, danach werden sie an eine Männermelkmaschine angeschlossen und geben gute Gene. Ich schreibe von Utopia.

Freitag, 30. April 2021

Irgendwas mit Bumsen

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 6

boulen
besonnen
Bulette
bizarr
Bällchen

Überschrift: Irgendwas mit Bumsen

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es meine Freundin ist, die mir die Wörter und Überschriften vorgibt, die ich für die Schreibchallenges verwende. Jetzt soll ich irgendwas mit Bumsen schreiben. Damit tue ich mich etwas schwer. Es ist ja nicht so, dass mir nichts dazu einfallen würde oder dass ich das Gefühl hätte, es sei bereits alles zu diesem Thema gesagt. Ganz im Gegenteil, dieser Bulette habe ich durchaus meinen Senf hinzuzufügen, wenn ich das so unangebracht formulieren darf. Aber will das irgendjemand lesen? Hier, in meinem bescheidenen Literatur-Blog, in dem ich sonst so besonnen agiere und Abstand davon nehme, anderen meine Bällchen unter die Nase zu reiben? Vielleicht bin ich da aber auch etwas zu prüde. Schließlich ist das Bumsen ein wichtiger Bestandteil im Leben vieler Menschen, für nicht wenige ist es Antrieb und Lebensinhalt. Ich bin da sicher nicht so, dass man mich eine Ausnahme nennen könnte, ich ficke auch mal ganz gern. Das ist auch gut so, denn dafür hat Gott, wie ich die/den Verantwortliche/n der Schöpfung hier nennen möchte, mir meinen Schniedel gegeben.
Und siehe da, ich schreibe also doch über das Bumsen. Dabei wusste ich mit der Vergabe der Challenge, dass ich alles Mögliche machen würde, nur nicht über das Bumsen zu schreiben. Genauso wie ich auf keinen Fall einen Text voller Alliterationen mit dem Buchstaben B schreiben würde, weil mich das B hindert.

Vielleicht schreibe ich aber nicht über das, was ich alles nicht tun werde und statt dessen lieber über das, was ich tun werde. Es ist Frühling, es ist warm, die Sonne scheint. Ich fahre neuerdings mit Inlineskatern, ein Bild für die Götter. Ich möchte auch anfangen, Tischtennis zu spielen. Tischtennis ist genau die Art von Sport, die man noch Sportart nennen kann, die aber gleichzeitig nicht zu anstrengend wird. Tischtennis braucht Konzentration und Fokus, etwas Technik und Spielwitz. Wenn man eine/n ähnlich starke/n Gegner/in hat, kommt das Mindgame hinzu und man versucht, die gegnerischen Vorhaben zu kontern. In der Summe ein fantastisches Spiel, das zudem relativ schnell gespielt ist. Boule ist auch so ein Sport – wobei ich eher „Sport“ schreiben müsste – bei dem Konzentration und Fokus an erster Stelle stehen. Ich überlege schon seit einigen Jahren, dass ich gerne mal boulen möchte. Aber dafür bin ich noch nicht alt genug. Ich brauche auch einen Bauch und mit dem Rauchen sollte ich schleunigst anfangen. Dann steht meiner Karriere nichts mehr im Wege. So allerdings wäre es ein bizarres Bild. Ich würde zu sehr auffallen zwischen den Alten – jung, athletisch, mit meiner Alabasterhaut. In spätestens zwanzig Jahren bin ich alt und dick und paffe gerne mal eine, dann trainiere ich für Turniere, bei denen man einen Truthahn oder so gewinnen kann. Die Pokale stelle ich mir dann in eine hässliche Vitrine aus den 90ern, die ich auf der Straße gefunden habe. Die Pokale schaue ich mir täglich an, nehme sie in die Hand und putze sie mit einem Brillenputztuch. Dann glänzen sie inmitten meines staubigen Wohnzimmers, das muffig nach alter Mann, Bohnen und etwas Tabak riecht.
Das ist die ferne Zukunft. In näherer Zukunft fahre ich immer weniger unbeholfen Inlineskater und schreibe an meinem ersten Buch. Einen Titel habe ich schon, den verrate ich aber nicht. Das wäre gespoilert, außerdem könnte es passieren, dass jemand den Titel super findet und übernimmt, dann stehe ich blöd da. Studieren werde ich nach 27 Semestern übrigens nicht mehr, habe ich beschlossen. Beschlossen ist natürlich relativ, in meinem vermurksten Leben bleibt nichts ausgeschlossen. Womöglich studiere ich also doch noch einmal, dann im Master. Vielleicht irgendwas mit Bumsen.

Mittwoch, 14. April 2021

Unkraut vergeht nicht

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 5

freilich
Schenkel
edel
Metamorphose
berühren

Überschrift: Unkraut vergeht nicht

Es ist fucking Frühling und die Tulpen blühen. Die Menschen gehen raus in die Sonne, sie nehmen eine Schere mit und schneiden die Tulpen ab. Schnittblumen. Die werden verschenkt und kommen in eine Vase, da halten sie sich und wachsen weiter. Kommt Besuch, sagt er artig: „Oh, die schönen Tulpen!“ und redet über das Wetter und den Frühling. So geht es schon seit Jahrhunderten und ich bin mir sicher, dass unsere Kindeskinder immer noch im Frühling mit der Schere in den Garten gehen werden und sagen: „Oh, die schönen Tulpen!“.
Manche Dinge ändern sich nie, der Frühling gehört dazu. Da kann auch der Klimawandel so schnell nichts daran ändern. Bis auf, vielleicht, dass wir in 20 Jahren oder so bereits im Februar Frühling haben. Dann fallen die Frühlingsgefühle mit der ach so besonderen fünften Jahreszeit zusammen. Das wird dann ein wildes Geficke.
Apropos wildes Geficke: In der Politik geht es ja auch wieder drunter und drüber. Versagen auf voller Linie hat sich in der Vergangenheit stets bewährt, da knüpft die CDU, konservativ wie sie ist, natürlich an. Die politische Lage ist wie ein schwerer Unfall, da möchte ich nicht zu den Schaulustigen gehören und kucke weg. Das ist zwar keine Lösung, aber auch kein Problem. Ich verpasse ja nix, ich höre mir den ganzen Quatsch von meinen Mitmenschen an. Die klagen darüber, wie kacke doch alles ist mit der Politik und so und dass sie kotzen könnten. Ich denke: „Dann kotz doch.“ Aber das machen sie nie. Das Verhalten, laut rum zu weinen aber nichts ändern zu wollen ist leider Gottes weit verbreitet, viele Menschen sind so. Der Deutsche an sich ist gerne unzufrieden, erst dann geht es ihm gut. Ich selbst nehme mich da nicht raus, ich rege mich ständig über irgendetwas auf, woran ich ohnehin nichts ändern kann. In erster Linie Menschen, aber auch das Wetter oder, wenn mir nichts Besseres einfällt, die Schwerkraft. Ich gebe zu, ich würde gerne fliegen können. Aber ich bin kein Vogel, wenn auch ein komischer Kauz. Ich bin auch keine Pflanze, sonst könnte ich Metamorphose. So aber klicke ich mich jeden Abend bei Lieferando rein und bestelle schlechtes Essen für viel Geld. Ich bin einfach zu faul, regelmäßig einkaufen zu gehen und mir etwas zu kochen. Deshalb weine ich laut rum, will aber auch nichts daran ändern. Ihr merkt schon, wohin das führt. Nirgendwohin. So eine Scheiße.
Ich rege mich auf, das tue ich wirklich. Das finde ich schlimm. Ich rege mich darüber auf, dass ich mich aufrege. Ich schreibe aufgeregt Texte, in denen ich mich übel über alles beschwere, danach nehme ich den Zettel und zerreiße ihn in einem Anflug von Wahnsinn. Das ist nicht gut für meine Nerven, sagt der Arzt. Ich soll auf meinen Blutdruck achten. Jetzt habe ich ein Gerät zu Hause, mit dem ich regelmäßig meinen Blutdruck messe. Der ist fast immer zu hoch, dann rege ich mich auf, das macht es noch schlimmer. Ich glaube, ich gehe mit dem Gerät zu meinem Arzt, der soll sich das sonstwohin stecken. Scheiß Arzt.
Vielleicht schreibe ich einen Text über all die Dinge, die mich aufregen. Den Text kann ich dann am offenen Fenster in die Welt schreien. Voller Inbrunst. Voller Hass. Am besten voll. Gute Idee.
Freilich, ich könnte mich auch edel am Schenkel berühren.

Donnerstag, 1. April 2021

Auspuff

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme einige Wörter vorgegeben, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Dafür habe ich jeweils vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 4

Marionette
reinschlüpfen
elliptisch
speicheln
Auspuff

Ich weiß nicht, wer ich gerne wäre, weiß nicht, was ich gerne hätte,
ich bin ein kleiner dummer Junge, eine falsche Marionette.
Meine Fantasie ist kryptisch, die Gedanken schwing’n elliptisch,
meine Träume sind voll Sorgen, meine Sorgen sind von morgen.
Meine Freunde sind recht friedlich, meine Mühen durchaus niedlich,
schlaf ich, bin ich meist am Speicheln, darf ich, ess ich meistens Teilchen.
Meinen Kater zu besiegen, schaff ich immer nur im Liegen,
und der nächste kommt bestimmt, wenn man Schmerztabletten nimmt.
Mich beim Rechnungen bezahlen, wollte einst ein Künstler malen,
betäubter Blick, die Haare wild, zeichnen dieses selt’ne Bild.

In meiner Welt ist alles anders, ich entspanne, denn ich kann das.
Stunden sind bei mir Minuten, und die Tage sind die Guten,
immer wenn ich dann und wann, mich zur Ruhe legen kann.
Die Gedanken sind wie Orte, Streits sind aufgestaute Worte,
Argumente meine Währung, denn sie dienen zur Erklärung.
Alles kommt zu seiner Zeit, der Begriff von „bald“ ist weit,
morgen ist auch noch ein Tag, ich verschiebe bis zum Sarg.
Doch ein Wandel ist in Sicht, denn ich akzeptiere nicht,
dass die Jahre so vergeh’n, denn ich sterbe – bleib ich steh’n.

Bald die schöne neue Welt, andrer Job mit viel mehr Geld.
Neue Schuhe schulen Hüpfen, Kopfwelt aus und nur reinschlüpfen,
das ist wahrlich, was mir gut tut, Kopf verdecken wie’s ein Hut tut.
Kopfwelt aus und Leben an, dass ich besser werden kann.
Ja, ich freue mich auf bald, ich werd‘ weise, grau und alt.

Montag, 15. März 2021

Matze

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme einige Wörter vorgegeben, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Dafür habe ich jeweils vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 3

Leckschutzkragen
liebestrunken
blöken
gehörig
Schnitte


Früh am Morgen liegt der Matze,
verliebt auf seiner Lustmatratze.
Isst genüsslich eine Schnitte,
nach letzter Nacht schon seine dritte.
Gestern Abend war ein Fest,
das vollgesiffte Liebesnest
hat geduftet, nicht gestunken,
denn er war ganz liebestrunken.
Am Ende konnt er kaum noch steh’n,
drum wird er heut zum Doktor geh’n.

Der Doktor ist ein alter Mann,
strenge Miene, Hose an.
Er stellt Matze ein paar Fragen
und verschreibt nen Leckschutzkragen.
„Muss ich den jetzt immer tragen?“
„Keine Sorge, nicht verzagen.
Den trägst du bitte stets zur Nacht,
oder wann du’s sonst so machst.“
„Bitte nicht, denn damit stör ich
mich beim Sex und zwar gehörig.
Sowas erstickt die Lust im Keim,
das kann doch nicht die Lösung sein.“
„Nicht hadern, Matze, denk dran, immer
gibt’s andre, den‘ geht’s noch viel schlimmer.“
Der Arzt verweist mit Zeigefinger,
aufs Blöken aus dem Wartezimmer.
„Weil er sich aus dem Fenster warf
kriegt er Tabletten bei Bedarf.
Davon hat er zu viel genommen,
die sind ihm ziemlich schlecht bekommen.
Jetzt hält er sich für ein Schaf.“
Matze schweigt und nickt und nimmt
den Leckschutzkragen. „Ganz bestimmt
hab ich recht, denn ich bin Arzt,
du hast nur RTL und Hartz.“
Er kritzelt etwas auf nen Block,
nimmt seinen Hut und seinen Stock,
geht zum Fenster und sagt „Nun,
da ist die Tür, ich hab zu tun.“

Spät am Abend liegt der Matze,
deprimiert auf der Matratze.
Guckt RTL und nagt ne Schnitte,
Wurst mit Käse in der Mitte.
Ein Mädchen auf ner Bühne singt,
Matzes Lustmatratze stinkt.

Dienstag, 2. März 2021

Ein Mops

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme einige Wörter vorgegeben, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Dafür habe ich jeweils vierzehn Tage Zeit...         


Challenge Nr. 2

Mops
desodorieren
zackig
entflammt
Perle
wuschig
Macht

             

Ein Mops, der von nem Windhund stammt,
ne Kerze, die bei Nacht entflammt.
Ein Weinglas, das mit Bier gefüllt,
ein Schoßhund, der als Löwe brüllt.
Bergsteiger, die im Tal flanieren,
Zitronen, die desodorieren.
Ein Schreiber, der auf Zack und zackig,
ein Kunstwerk, das leicht grün und kackig.
Ne Perle, die den Nacken stemmt,
ein Kerle im karierten Hemd.
Ein Richter, der beim Richten lacht,
er darf das, denn er hat die Macht.
Ein Brotkorb, der nach Früchten stinkt,
ein Winter, der vom Frühling singt.
Ein Kochtopf, dem der Henkel fehlt,
ein Mann, der sich den Spitzbart gelt.
Ein Penner, dem’s vom Pennen plagt,
ein Hündchen, das die Hennen jagt.
Ne Müllfrau, die ne Tonne trägt,
ein Badener, der nach Wegen frägt.
Zwei Teenies, die ganz wuschig sind,
drei Jahre später, zweites Kind.
Ein Stoppschild, das ganz leicht verbeult,
ein Schulkind, das am Spielplatz heult.
Ein Triebwerk, das beim Fahren kreischt,
ein Kater, der die Maus zerfleischt.
Ein Priester, der beim Trauen stockt,
ein Füller, der beim Schreiben stoppt.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Tunichtgut

Ich bin wieder da. Seit Jahren schon schreibe ich wieder, zwischenzeitlich habe ich es sogar auf die Bühnen der Poetry Slams geschafft. Aber veröffentlicht habe ich nichts. Das soll sich schleunigst ändern.
Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme einige Wörter vorgegeben, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Dafür habe ich jeweils vierzehn Tage Zeit...


Challenge Nr. 1

Gülle
schimmern
wohlauf
Wurst
Fußgängerüberweg
Spritzbeutel
saftig

Ich lieg den ganzen Tag im Bett und frag mich, wie es weitergeht,
dabei geht es ständig weiter – es ist nur meine Welt, die steht.
Ich will aufstehen doch ich schaff’s nicht, meine Stromrechnung ist saftig.
Ich denk an morgen, gestern, bald, werde wartend langsam alt.

Alles in allem bin ich ein komischer Kauz, ich sehe nichts ein, aber ich sehe gut aus.
Ich bestell beim Griechen Pizza, und beim Asiaten Steak,
ich ignoriere Obdachlose und den Fußgängerüberweg.
Ich mach Möhren in den Mixer, in den Käsekuchen Wurst,
ich krieg Angst beim Onanieren und beim Kacken krieg ich Durst.
Bin manchmal stramm und selten drauf, aber doch zumeist wohlauf,
trinke Bier und Schnaps und Wein, harte Drogen lass ich sein.
Habe hin und wieder Sex, schreib auch mal nen kurzen Text,
hab zu tun und tue nix, mach ich doch was, mach ich’s fix.
Bin beim Backen überfordert, weiß nicht wirklich wie das geht,
bin der Typ der voll verloren vor dem Spritzbeutel steht.

So lieg ich nun im Bett und warte, schmeckt wie Gülle und zwar harte.
Fühl mich einsam, fühl mich klein, so kann’s doch nicht immer sein.
Schüchtern schimmert eine Frage, die, ich weiß nicht, wie ich’s sage,
mich seit Jahren schon begleitet, mich in dunklen Stunden leitet.
Ich weiß nicht ob, ich weiß nicht wann, aber wenn, dann weiß ich, dann
werd ich glücklich, werd ich Mann: Wann fängst du zu leben an?