Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...
Challenge Nr. 14
Glühwürmchen
Wimpel
hinfläzen
enorm
schnippeln
Überschrift: Sommer, Sonne, Kaktus
So.
Sommer.
Sommer jetzt.
Sommer jetzt noch.
Sommer jetzt noch?
Sommer jetzt noch einen trinken?
Ich sitze in der Bar und draußen scheint ausnahmsweise mal die Sonne. Ist mir
relativ egal, ich bleibe drinnen. Draußen reden sie alle doch nur über das
Wetter. Oder Fußball. Oder Impfen. Es ist immer das Gleiche und dann doch
wieder ein bisschen anders, am Ende ist es alles der gleiche Scheiß. Ist mir völlig
egal. Soll die Sonne doch scheinen und sollen sie heute Fußball gucken: Erst
drücken sie sich lachend einen Wimpel in die Hand, dann spielen sie, dann
weinen alle und einer gewinnt. Sollen sie sich alle impfen lassen oder nicht,
sollen sie doch bitte gesund oder bitte zu Hause bleiben. Mir egal, sowas von egal.
Ich will nur noch einen Drink oder ein Bier. Ich kann mich nicht entscheiden,
nehme einen Entscheidungs-Shot und bestelle danach beides. Ich trinke schnell,
schon sieht die Welt ein bisschen besser aus und ich ein bisschen schlechter.
Macht aber nix, sieht ja keiner. Ich mache dem Barmann gegenüber eine
unmissverständliche Geste und er stellt mir ein neues Dreiergedeck hin. Ich
trinke den Shot, mache dem Barmann gegenüber eine missverständliche Geste,
nehme mein Bier und meinen Drink und bewege mich unbeholfen von der Bar zur
Sitzbank, um mich hinzufläzen. Zwei Gedecke später die ersten Scherben.
Irgendwas muss vorgefallen sein. Der Barmann bringt die Rechnung und zeigt die
Tür. Ich zahle die Rechnung und zeige den Vogel. Draußen bin ich raus.
Nicht.
Nicht nochmal.
Nicht nochmal so.
Nicht nochmal Sonne.
Nicht nochmal sonne Scheiße.
16 Monate ist es her. Meine Müdigkeit, was das Corona-Thema anbelangt, hat ein
Level erreicht, dass ich während eines Fallschirmsprungs einschlafen könnte. Jetzt
gehen die Zahlen wieder hoch und alle reden von der Delta-Variante und einem
dritten Lockdown. Wenn ich das nur höre, werde ich wütend, enorm wütend, geradezu
fuchsteufelswild. Ich wechsele dann radikal das Thema, ich rede über
Selbstverteidigung oder Spinat. Manchmal gehe ich auch wortlos in die Küche und
fange an, Gemüse zu schnippeln. Wenn mich jemand darauf anspricht, was ich da
mache, antworte ich „Eintopf“ und schnippele weiter. Der Eintopf wird meistens
kein Eintopf, sondern eine Suppe. Die esse ich kochend heiß, ich verbrenne mich
daran und gehe zum Arzt. Der Arzt schüttelt den Kopf und macht einen
Corona-Test. Dann schüttelt er den Kopf und fragt mich, wie ich heiße, wo ich
gerade bin und welches Datum wir heute schreiben. Danach schüttelt er den Kopf
und ruft die Sprechstundenhilfe.
Zu Hause muss ich meinen Mund mit Hilfe von einem Wattestäbchen mit einer Salbe
einschmieren, außerdem bekomme ich eine Mundspülung verschrieben und eine
Schonkost. Ich trinke kaltes püriertes Gemüse und träume. Ich träume davon, im
Schatten der Bäume an der Dreisam zu liegen. Ich träume davon, in der Dreisam
zu baden und danach ein kühles Radler zu trinken. Ich träume davon, am Abend zu
grillen und den Grillen beim Zirpen zuzuhören, während die Sonne untergeht. Ich
träume davon, in warmen Sommernächten auf der Wiese zu liegen und die
Glühwürmchen zu zählen. Ich träume von einem besseren Sommer.
In letzter Zeit habe ich zu viel geträumt und vergessen, meine Zimmerpflanze zu
gießen. Die ist langsam eingegangen und sieht ziemlich traurig aus. Im Laden
haben sie mir geraten, eine Pflanze zu kaufen, die etwas pflegeleichter ist. Jetzt
habe ich einen Kaktus.