Mittwoch, 9. September 2015

Was für eine wunderbare Welt


"Meine Ehe ist so öde, diese langweilige Frau. Warum wir noch zusammen sind? - weiß keiner so genau. Wir lassen uns bald scheiden, aber erst in ein paar Jahren. Mit zwei Kindern ist es besser, die Vernunft-Schiene zu fahren.
Mein Job ist ähnlich scheiße, jeder Tag ist eine Qual. Doch mit Ü40 wird’s dann schwierig, also hab ich keine Wahl. Glück kenn ich nur beim Puffbesuch und nach dem achten Bier – ach ja, und dieses eine Mal: Schneider, Grand Hand, ohne vier."

"Mann, du kommst mir mit Problemen, immerhin hast du 'nen Job. Wenn ich an deiner Stelle wär, dann ginge es mir top.
Ich ernähre mich von Pizza, lieg den ganzen Tag im Bett. Hartz IV ist viel zu wenig und 'ne Freundin wäre nett. So vier bis elfmal wichsen und genauso oft aufs Klo. Ich bin fürs Arbeiten zu müde und weiß selber nicht, wieso. Bin super fett geworden, obwohl ich Kaffee trink und rauche. Hab keine Kohle für den Urlaub, den ich ewig dringend brauche."

"Von 14 Jahren Schule waren 13 für den Arsch. Fragst du mich nach Sonnenschein, dann antworte ich barsch. Ich studiere ohne Abschluss, jetzt im 18. Semester. Hätte ich mich reingehängt, dann wär ich Jahrgangsbester. Schuld an allem ist der Staat, ich hasse das System. Jetzt woll'n die, dass ich fertig werd, ich sei wohl zu 'bequem'.
Die da oben sind so zugeknöpft, doch seh ich noch 'ne Lücke. Ich schnapp mir meinen Hund und dann geht's ab unter 'ne Brücke."

"Ich arbeite von früh bis spät, für mich gibt's keinen Morgen. Das Geld ist Nebensache, die Gesundheit macht mir Sorgen. Wer mir erstmals begegnet, schätzt mich fünf Jahre zu alt. Der Tod kommt vor der 50, dafür werd ich gut bezahlt.
Du hängst dich rein für nix, denn Undank ist der Welten Lohn. Keinen interessiert's, selbst meine Mum macht ein' auf Sohn. Sie kommt täglich mit Gefallen an und gibt sich superweise: 'Erst reißt man sich den Arsch auf und dann sitzt man in der Scheiße.'"

"Wo sie Recht hat, hat sie Recht und Recht ist das, was ich studier. Ich bin das Gegenteil von schlecht, mit 16 Abi ohne vier. Du solltest auf mich hören, denn ich weiß sehr gut Bescheid. Und wenn du etwas nicht verstehst, bist du vielleicht noch nicht so weit.
Die Weisheit aus der Muttermilch, die Löffel waren golden. Mein Wunsch ist stets Befehl und ich bin teuer zu besolden. Meine Meinung ist Gesetz und meine Aussprache korrekt. Ich denke, wie ich aussehe: adäquat, perfekt."



Mittwoch, 26. August 2015

Volle Breitseite


Der Körper rebelliert gegen die Diktatur im Kopf,
Es krallen sich die Hände an mein Herz und an den Schopf.
Im Panikpuls erbeben meine allzu schwachen Glieder,
In alle Zellen kriecht es mir, das eisig kalte Fieber.

Das Leiden nimmt kein Ende, in Unendlichkeit allein,
Es zittern mir die Hände und ich möchte nicht mehr sein.
Ein Steuern kaum noch möglich und ich werde nass geschwitzt,
Also bleibt starres Verharren, wenn der Teufel in mir sitzt.

Der viel zu kurze Schlaf kommt erst sehr spät und dann nur halb,
Ich zucke im gewohnten Schock der mir gebrachten Alp.
Am Morgen geht es anders aber irgendwie noch kacke,
Ich fühle mich wie eingehüllt ins Futter einer Jacke.

Der Dämon ist verschwunden aber lange nicht besiegt,
Beim nächsten Mal ist's dann jedoch ein Krieger, der hier liegt.



Samstag, 7. März 2015

Der Tag, an dem ich...


Viel zu lang hab ich gewartet,

schon gestern wär ich gern gekommen.
Warst angepisst, bist nun geartet,
doch hast die Pille nicht genommen.

Von der Geilheit lahm gelegt,
Tunnelkopf und graues Hirn.
Meine Stimme ist belegt
und „Ficken“ steht mir auf der Stirn.

Total erregt, was grad noch klein,

jetzt Mordsgerät von Pimmel,
Du schöne Fotze, du, so klein.
Herrlichster aller Himmel.

Jetzt schnell her mit den Kondomen, doch ich greife in den Staub.


Wollte ich doch gestern zwischen Stühlen, Bett und Tischen wischen,
hab da alles weggeräumt und das Zurückräumen versäumt.

Das Hirn springt an, das kann nicht sein, die Galle sammelt Kotze,
wie Edmund spricht’s „Ich will da rein“ und meint die kleine Fotze.


Aufgestanden, rumgewühlt, das ganze Zimmer umgegraben – dabei stahlhart, weil erregt.

„Ich hatte sie doch gestern neben all den ganzen Kram gelegt“,
denk‘ ich und erinnere mich an den letzten Müll.
Wie ich 'nen Batzen Altquatsch nehme und ihn grob zerknüll.

Vielleicht war’n die Spermafänger irgendwo dazwischen.
Aufräum‘ ist halt nicht mein Ding, ebenso wie wischen.

„Warte“, sag ich, und ich sehe auf die Latte, die schon schwindet.
Husche, wie der Herr mich schuf, zum Mülleimer im Flur.
Hoffe, dass sich zwischen Unrat Kautschuk wiederfindet.
Blut schießt in den Kopf – ich denke:

„Fuck, die Müllabfuhr.“


Ne halbe Stunde später bin ich zufriedener und schlapper.

Doch hätte ich nicht Staub gewischt, dann wär' ich heut nicht Papa.


Montag, 2. März 2015

Schland der Denker


Fast jeder kennt den Weg zum Glück, kehrt beinah‘ immer doch zurück, teils biegt er Richtung Unglück ab. Am Wegesrand das falsche Glück, das Blumen pflückt und Pilze sucht; in Wahrheit ist es nur die Flucht. Flucht in die Unzufriedenheit, man scheint fürs Glück noch nicht bereit. Wird mancher es gar niemals sein, stattdessen plantschen in der Pein?
Was soll nur aus uns werden.


Mittwoch, 25. Februar 2015

Tu wat tu kant, Immanuel!


Kraut und Rüben, harsche Gicht. Wertewandel wartet nicht.
Ay caramba!, Budenzauber. Zuberzauber-er er ist. Es schwappt unterm Schaume, das Knistern im Traume, im Hirn der Töne eingebettet. Gedankensoße verdickt sich zu Brei.
In den Brei der Gedanken, wir springen von Planken - der Archen, Barken und Fregatten. Conemotional zu allen Gezeiten, Bewusstseinsanker liegt träge im Schlick. Die Seele will segeln, Gefühlsflaute zum Trotz.
Die Außenwelt bleibt äußerlich, die Innenwelt verbirgt sich schlicht. Nach Fäule riecht das bracke Wasser, es ächzt und bebt in Heck und Bug.
Armada gestrandet auf höchster See, der trübe Seegang hat zugesetzt.


Montag, 16. Februar 2015

Wilhelmsplatz


Männerdenkmal aufgestellt,
Männerdenkmal abgerissen,
Männermahnmal aufgestellt,
Männermahnmal umgeschmissen,
„Männer war’n mal“ drauf gesprayt,
Trümmer an die Seite.
Frauendenkmal aufgestellt,
Frauenwahn-Mall drumgebaut,
Jetzt sind alle glücklich.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Halbabend

„Ludwig van Beethoven…“, beginnt er und macht eine lange Pause, in der er bedeutungsschwanger in die Runde schaut, bis jeder der Versammelten seinen Blick auf ihn gerichtet hat. Dann beendet er den Satz mit einem selbstgefälligen Lächeln, während sich seine linke Hand an den Bügel der Brille erinnert. „…ist noch nie in einem Atemzug mit Edmund Stoiber genannt worden.“

Ich schalte um. Günther Jauch ist einfach nichts mehr für mich.
Fußball. Boxen. Werbung. Noch mehr Fußball. Und wieder Talk.
Irgendwelche Prominente präsentieren dem Hoffentlich-Millionenpublikum einen halbwahren Ausschnitt ihrer Biografie, den sie mit einer so bedächtigen Vorsicht ausschmücken, wie sie ein professioneller Mikadospieler beim Weihnachtsbaumschmücken an den Tag legt. Es dreht sich um nichts und im Kreis, vier mögen Hunde, eine nicht. Sie witzeln und frotzeln, dann wird ein abwesender Prominenter bloßgestellt. Danach ein kurzer Ausschnitt aus einem deutschen Fernsehfilm, der sich der Tradition des Jahrtausends nicht entziehen kann.
Die Anzüge und Kostüme erweisen sich im Scheinwerferlicht als schwierig. Um nicht am Ledersessel kleben zu bleiben, fangen die Prominenten an, ständig ihre Sitzposition zu wechseln. Vielleicht müssen sie auch mal, es sind die Öffentlich-Rechtlichen. Sie reden über Fußball, dann übers Boxen. Und wieder Fußball. Innerlich freut sich alles auf die Line, wie es scheint. Denn so macht man es im Fernsehen.
Weil die Diskussion weder amüsant noch hitzig ist, macht der Moderator einen blöden Witz. Das Publikum klatscht und die Lichttechnik probiert etwas aus. Dann wird irgendein Album in die Kamera gehalten und einer nach dem anderen heuchelt sich für ein paar Sekunden ins Bild.
Da!, die lang ersehnte Jingle, die das Ende der Wahnsinnsshow bedeutet, setzt ein und alle Prominenten stehen auf. Ein letztes Mal die verkehrte Miene und die falschen Komplimente, während sie möglichst unauffällig die Fusseln und Schuppen vom Jackett streichen. Nächste Woche geht es um was anderes.


Endlich Schluss. ‚Fernsehen ist doof‘, denke ich und stehe auf. Ich fühle mich irgendwie schmutzig, stelle mich unter die Dusche und drehe auf heiß.

Donnerstag, 1. Januar 2015

Fernbus-Schreiben


Stummes Schreiben keiner Texte, stummes Lauschen alter Sounds. Merken, dass der Stift ist kacke. Ebenso wie Satzbau auch. Unlust wächst, ich schreibe weiter. Stift bleibt kacke, Satzbau geht. Innehalten – kurz gelesen, was da hier bis jetzt so steht. Gebannt schau ich auf meine Rechte, wartend, was die Linke schreibt. Ist es Willkür oder Wille, was die Hand nach vorne treibt?
Stift bleibt kacke und mein Satzbau irgendwie schlimm wechselhaft. Ohne diesen Minusgriffel hätte ich längst mehr geschafft.


„Kann mir wer 'nen Stift besorgen?“, schrei ich durch den vollen Bus.


Jung und Alt schaut schwer entgeistert, ich kontere mit Hundeblick. Alles sucht und kramt und findet, und ich teste Stück für Stück.

Einer geht nicht, einer fließt nicht, einer flitzt mir übers Blatt. Wutentbrannt schubs ich das Kleinkind. „Junge! Der is‘ viel zu glatt!“
Dick wie Kreide, schwer wie Kobalt, dünn wie junges Pferdehaar und wieder leicht wie eine Fee. Ich sag „Sorry“, ich sag‘ „Fick dich“, meistens sag ich aber „Nee.“

Der Aufruhr legt sich, es erhebt sich engelsgleich die Blonde Sie. Ich kämpfe, doch ihr Kugelschreiber zwingt mich weinend in die Knie.
'Nie hat sich ein Schriftsteller jemals seiner Schrift gestellt.' schreib ich, weiß nicht, was ich tue – nicht mal, ob es mir gefällt.
Der Stift ist klasse und mein Engel XXX-Inspiration. Wir sind Eltern und verzaubert schreibt der Papa an dem Sohn.
Ich seh nur noch meine Schöne, unsre Lippen nähern sich. „KRRRCH…! Sooooo, gleich kommt Freiburg!“, lärmt es plötzlich fürchterlich.

Benommen reibe ich die Augen. Kacke, alles nur ein Traum.

Mein Blatt ist leer; der feuchte Lappen riecht nach Sabber-Wunderbaum.


P.S.: Scheiß auf Krösus.