Freitag, 27. August 2021

Seelenschimmel

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 17


Popelproduktion
schrubben
Schweinefleisch
Mundgulli
nassforsch

Überschrift: Seelenschimmel


Inmitten der Nacht und des Alptraums erwacht,
das Fenster auf Kipp und nen Minztee gemacht,
der Rotwein von gestern steht auf meinem Tisch,
die Zeitung ist alt und mein Mundgulli frisch.
Der Rotwein schmeckt gut, er liegt schwer auf der Zunge,
die Leber schreit „Mehr!“ und ich rauche auf Lunge.

Im Haus lange Stille, dann Kindergekreisch,
ich gehe zum Kühlschrank, ein Rest Schweinefleisch
mit ein paar Kartoffeln und Ketschup und Kraut,
ist gut gegen Hunger und schlecht für die Haut.
Ich schlinge und trinke, greif zur zweiten Flasche,
ein Fleck auf die Tischdecke, die ich nie wasche.

Zum Ende der Flasche im Osten ein Grauen,
ich leg mich ins Bett um ne Tüte zu bauen.
Die Mische zu mäßig, die Geilheit zu groß,
das Gras in der Birne, die Asche im Schoß.
Ich bin super müde, doch Schlaf find ich keinen,
ich schau ein paar Pornos und schrubbe mir einen.

Ich bin aufgekratzt, deshalb geh ich spazieren,
die Stadt erst erwacht, ich ertrag es mit Bieren.
Die Sonne geht auf, --- lange wundert mich schon
dieses Zeug in der Nase, die Popelproduktion
lässt mich kurzatmig werden, ich schnäuz in ein Tuch,
ne Ader platzt auf bei dem Ausschnäuzversuch.

„Na, wieder auf Koks?“ werd ich nassforsch gefragt.
„Immer.“ Doch fast hätt ich „Wichser“ gesagt.
Ich sitz an der Dreisam, ich hasse die Welt,
ich hab wenig Freunde, noch weniger Geld.
Zu Haus leichter Kopfschmerz, ne Kruste am Pimmel,
ich schreib ein Gedicht und es heißt Seelenschimmel.

Montag, 16. August 2021

Frisch Geduschte schlafen länger

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 16


Eierschalensollbruchstellenverursacher
peitschen
Einfühlungsvermögen
glitschig
Pissnelke

Überschrift: Frisch Geduschte schlafen länger


Früher habe ich täglich geduscht. Jeden Morgen nach dem Aufstehen, meist war es schon mittags, habe ich mich unter die Dusche gestellt, die Haare gewaschen und mich eingeseift. Danach war ich wunderbar sauber und wach und der Tag konnte beginnen. Ich war zufrieden und wäre es wahrscheinlich geblieben, aber die Menschen sind anders. Sie waren entsetzt darüber, dass ich täglich dusche und gifteten mich an: „Das ist total ungesund für die Haut!“ und „Denk doch mal an die Umwelt!“ Das sah ich ein und es erklärte auch die leicht schuppige Haut, also ging ich dazu über, nur noch alle zwei Tage zu duschen. Manchmal vergaß ich, ob ich am Tag zuvor geduscht hatte und duschte nur noch alle drei Tage. Die Menschen nickten zufrieden über mein leicht fettiges Haar, andere Menschen waren anders. Sie gifteten mich an: „Du bist ja eklig!“ und „Das ist ja mega unhygienisch!“  Ich solle gefälligst täglich duschen. Ich versuchte mich zu verteidigen, dass ich an meine Haut und die Umwelt denke, außerdem wechsele ich ja täglich meine Unterwäsche. Aber das wollten sie nicht hören.
Ich habe ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und möchte es allen Menschen recht machen, also fasste ich einen Plan. Ich traf mich mit den Duschgegnern wann immer ich wollte, mit den Duschfanatikern nur noch an Duschtagen. Das monats- und wochenweise vorausschauende Planen der Treffen war nicht ganz einfach, also legte ich bestimmte Wochentage fest, an denen ich duschen würde. Dienstags und donnerstags, weil D wie Duschtag. Dann der Samstag und als Bonus der Sonntag, weil warum nicht und S wie Schaum.
Jetzt waren alle happy und ich auch, allerdings hatte ich an den Tagen, an denen ich nicht duschte, erhebliche Probleme beim Aufstehen. Oft kam ich nicht vor 12 Uhr aus dem Bett und meistens ging in den ersten Stunden nach dem Aufstehen alles schief. Der Kaffee landete ungemahlen in der French Press, das Müsli in der Kaffeemühle und das Frühstücksei war eine riesengroße Sauerei, weil ich es nicht an der richtigen Stelle aufgeschlagen bekommen habe und den glitschigen Inhalt auf dem Tisch verteilte. Ich kaufte mir einen Eierschalensollbruchstellen-verursacher, ein Werkzeug, von dem ich dachte, dass ich niemals Verwendung dafür finden würde. Die Konstruktion aus Edelstahl kostet gut 20 Euro und wird auf das Frühstücksei im Eierbecher gesetzt, ein Gewicht in Form einer Kugel wird an der Stange nach oben geschoben und aus knapp 30 Zentimetern Höhe fallen gelassen. Danach öffnet sich das Ei angeblich kinderleicht an der idealen Stelle. Es klappte zunächst überhaupt nicht, mit ein bisschen Übung mäßig, mittlerweile esse ich keine Frühstückseier mehr. Der Eierschalensollbruchstellenverursacher liegt ohne Verwendung in der Schublade, nur wenn ich Besuch bekomme beantworte ich regelmäßig und geduldig die Frage nach der sexuellen Praktik, die mit diesem Gerät in Verbindung stehen könnte.
Seit ein paar Monaten frühstücke ich nicht mehr allein, dann geht deutlich weniger schief. Es ist wie mit dem Aufstehen, das klappt dann auch besser. Ich bräuchte jeden Morgen jemanden, der mir die Bettdecke wegzieht und mich aus dem Bett peitscht. Oder mich mit Wasser besprüht, dann bin ich sofort hellwach. Es muss ja nicht mal eine Person sein, eine Maschine würde reichen. Oder eine Pflanze, womöglich können die das auch. Eine Blume oder so. Vielleicht eine Pissnelke.

Mittwoch, 11. August 2021

Kurz vor Knast

Da mir zum Schreiben die Inspiration fehlt, hole ich sie mir. Und zwar in Form kleiner Schreibchallenges, deren Ergebnisse ich hier teile. Die Challenges sind simpel. Ich bekomme eine Überschrift vorgegeben, dazu einige Wörter, die ich in meinen Text einbauen muss, wie bei einer Reizwortgeschichte. Für den Text habe ich sieben Tage Zeit...


Challenge Nr. 15


Bettkante
gediegen
Dauerwelle
Chichi
sprudelig

Überschrift: Kurz vor Knast


Es gibt diese Tage, an denen ich von niemandem etwas wissen will. Tage, an denen ich nicht ans Telefon gehe. Tage, an denen ich mich im Bett wälze, bis ich irgendwann erschöpft von der Bettkante plumpse. Tage, die sich wie eine Woche anfühlen und an deren Ende ich einfach nur froh bin, dass sie vorbei sind. So ein Tag war mein Geburtstag.
Ich bin 36 geworden und es tut ein bisschen weh, dagegen war mein 30. Geburtstag ein Witz. Die 40 rückt näher und in einem Jahr bin ich das, was man „Ende 30“ nennt. Wäre ich Profifußballer geworden, hätte ich jetzt meine Karriere bereits hinter mir und würde nur noch in irgendwelchen Klatschzeitschriften auftauchen, weil ich zum zweiten Mal geschieden bin oder besoffen an irgendeine Hauswand gepinkelt habe. Als Kind habe ich davon geträumt, Profifußballer zu werden, jetzt bin ich froh, dass ich die Fußballschuhe und meine Karriere als Langzeitstudent an den Nagel gehängt habe und endlich ein normales Arbeitsleben beginne.
Früher dachte ich immer, dass ich 72 Jahre alt werde und dann zufrieden sterbe, demnach hätte ich jetzt die Halbzeit erreicht und müsste eine Midlife-Crisis haben. Vielleicht werde ich doch ein paar Jahre älter, da die erwartete Unsicherheit bisher ausbleibt. Ich überlege noch, was ich anstellen werde, wenn es mit der Midlife-Crisis endlich so weit ist. Ich bin nicht der Typ, der sich ein Auto, ein Motorrad oder einen Hightech-Rasenmäher kauft. Ich glaube eher, dass ich körperliche Veränderungen vornehme. Eine Penisvergrößerung ist mir zu teuer und Tattoos mag ich nicht, wahrscheinlich trainiere ich mir ein Sixpack an und lasse mir eine wundervolle Dauerwelle machen. Regelmäßiges Sonnenstudio und Bräunungscreme verpassen mir einen südländischen Teint, ich liege mit Sonnenbrille und Gewinnerlächeln gediegen im Freibad und versuche, den Teenies zu gefallen. Es misslingt mir fürchterlich, ich bekomme eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und zahle eine empfindliche Geldstrafe. Ich bin beschämt und frustriert, ändere meine Pläne und fange an zu backen. Nur Kuchen, keine Torten, ohne Chichi. Ich backe wie bekloppt, will aber nicht dick werden, also verschenke ich an Freunde und Nachbarn. Die freuen sich wie Bolle und backen zurück, ich kann nicht anders und werde dick. Irgendwann bin ich so dick, dass ich keinen Teig mehr ausrollen kann, dann gibt es nur noch Gugelhupf. Ich brauche einen Gehstock und meine Angehörigen diskutieren einen Treppenlift, ich habe die Schnauze voll und mache Radikaldiät.
Ein halbes Jahr später bin ich 50 Kilo leichter, mein Diätarzt ist begeistert und seine Marketingabteilung lässt mich ein Buch schreiben, auf das sich die Dicken stürzen. Ich werde reich, weiß nicht wohin mit meinem Geld und suche mein Heil im Alkohol. Ich begeistere mich für Champagner, der ist teuer genug und herrlich sprudelig. Ich entdecke meine Lieblingsmarke und bestelle wöchentlich zwei Kisten. Nach einem Jahr wird mir ein Job als Markenbotschafter für meine Lieblingsmarke angeboten. Ich reise um die Welt und Flatrate-trinke Champagner. Mittlerweile bin ich Ende 50, habe drei Kinder und die zweite Scheidung hinter mir. Die Kinder werden groß und streiten sich um mein Erbe, ich werde immer kleiner und streite mich mit meiner dritten Frau. Mit Mitte 80 ist dann Schluss und irgendwie ist das für alle ganz gut so. Bei meiner Beerdigung trinken Familie, Freunde und ehemals Dicke Champagner, es gibt Kuchen, keine Torten und irgendwer spielt Musik.
Bis dahin habe ich noch reichlich Zeit, ich mache Sport, stürze mich ins Arbeitsleben und bereite mich auf meine erste Hochzeit vor. Abwarten, vielleicht kommt alles ganz anders. Nächstes Jahr bin ich Ende 30.