Donnerstag, 29. Januar 2015

Halbabend

„Ludwig van Beethoven…“, beginnt er und macht eine lange Pause, in der er bedeutungsschwanger in die Runde schaut, bis jeder der Versammelten seinen Blick auf ihn gerichtet hat. Dann beendet er den Satz mit einem selbstgefälligen Lächeln, während sich seine linke Hand an den Bügel der Brille erinnert. „…ist noch nie in einem Atemzug mit Edmund Stoiber genannt worden.“

Ich schalte um. Günther Jauch ist einfach nichts mehr für mich.
Fußball. Boxen. Werbung. Noch mehr Fußball. Und wieder Talk.
Irgendwelche Prominente präsentieren dem Hoffentlich-Millionenpublikum einen halbwahren Ausschnitt ihrer Biografie, den sie mit einer so bedächtigen Vorsicht ausschmücken, wie sie ein professioneller Mikadospieler beim Weihnachtsbaumschmücken an den Tag legt. Es dreht sich um nichts und im Kreis, vier mögen Hunde, eine nicht. Sie witzeln und frotzeln, dann wird ein abwesender Prominenter bloßgestellt. Danach ein kurzer Ausschnitt aus einem deutschen Fernsehfilm, der sich der Tradition des Jahrtausends nicht entziehen kann.
Die Anzüge und Kostüme erweisen sich im Scheinwerferlicht als schwierig. Um nicht am Ledersessel kleben zu bleiben, fangen die Prominenten an, ständig ihre Sitzposition zu wechseln. Vielleicht müssen sie auch mal, es sind die Öffentlich-Rechtlichen. Sie reden über Fußball, dann übers Boxen. Und wieder Fußball. Innerlich freut sich alles auf die Line, wie es scheint. Denn so macht man es im Fernsehen.
Weil die Diskussion weder amüsant noch hitzig ist, macht der Moderator einen blöden Witz. Das Publikum klatscht und die Lichttechnik probiert etwas aus. Dann wird irgendein Album in die Kamera gehalten und einer nach dem anderen heuchelt sich für ein paar Sekunden ins Bild.
Da!, die lang ersehnte Jingle, die das Ende der Wahnsinnsshow bedeutet, setzt ein und alle Prominenten stehen auf. Ein letztes Mal die verkehrte Miene und die falschen Komplimente, während sie möglichst unauffällig die Fusseln und Schuppen vom Jackett streichen. Nächste Woche geht es um was anderes.


Endlich Schluss. ‚Fernsehen ist doof‘, denke ich und stehe auf. Ich fühle mich irgendwie schmutzig, stelle mich unter die Dusche und drehe auf heiß.

Donnerstag, 1. Januar 2015

Fernbus-Schreiben


Stummes Schreiben keiner Texte, stummes Lauschen alter Sounds. Merken, dass der Stift ist kacke. Ebenso wie Satzbau auch. Unlust wächst, ich schreibe weiter. Stift bleibt kacke, Satzbau geht. Innehalten – kurz gelesen, was da hier bis jetzt so steht. Gebannt schau ich auf meine Rechte, wartend, was die Linke schreibt. Ist es Willkür oder Wille, was die Hand nach vorne treibt?
Stift bleibt kacke und mein Satzbau irgendwie schlimm wechselhaft. Ohne diesen Minusgriffel hätte ich längst mehr geschafft.


„Kann mir wer 'nen Stift besorgen?“, schrei ich durch den vollen Bus.


Jung und Alt schaut schwer entgeistert, ich kontere mit Hundeblick. Alles sucht und kramt und findet, und ich teste Stück für Stück.

Einer geht nicht, einer fließt nicht, einer flitzt mir übers Blatt. Wutentbrannt schubs ich das Kleinkind. „Junge! Der is‘ viel zu glatt!“
Dick wie Kreide, schwer wie Kobalt, dünn wie junges Pferdehaar und wieder leicht wie eine Fee. Ich sag „Sorry“, ich sag‘ „Fick dich“, meistens sag ich aber „Nee.“

Der Aufruhr legt sich, es erhebt sich engelsgleich die Blonde Sie. Ich kämpfe, doch ihr Kugelschreiber zwingt mich weinend in die Knie.
'Nie hat sich ein Schriftsteller jemals seiner Schrift gestellt.' schreib ich, weiß nicht, was ich tue – nicht mal, ob es mir gefällt.
Der Stift ist klasse und mein Engel XXX-Inspiration. Wir sind Eltern und verzaubert schreibt der Papa an dem Sohn.
Ich seh nur noch meine Schöne, unsre Lippen nähern sich. „KRRRCH…! Sooooo, gleich kommt Freiburg!“, lärmt es plötzlich fürchterlich.

Benommen reibe ich die Augen. Kacke, alles nur ein Traum.

Mein Blatt ist leer; der feuchte Lappen riecht nach Sabber-Wunderbaum.


P.S.: Scheiß auf Krösus.