Fuck, was für eine Nacht. Mein Kopf besteht aus Qual, die
Gedanken kreisen wie Polizeihubschrauber bei einer Vermisstensuche über einer
Moorlandschaft. Leider vergebens. Wo war ich gestern, was habe ich gemacht? Ich
strecke die Zunge heraus und lasse sie an den oberen Schneidezähnen entlang
fahren, um eine Probe von ihrem sülzigen Belag zu nehmen. Das Zeug ist tierisch
sauer, irgendwas Böses war da im Spiel.
Mein Zustand und die Sonne machen Schlafen zur
Unmöglichkeit. Es scheint Tag, vielleicht 12? Die Uhr sagt früher. Nach
langsamstem Aufstehen unter Schmerzen wanke ich benommen ins Bad.
Kotzegeruch kommt mir entgegen. Ich klappe die Brille hoch
und werde fündig. Ich habe wohl beim Aufräumen die Schublade offen gelassen.
Die dunkelgelbe Pisse plätschert mit dem Durchfall um die
Wette. Das Brennen am Arsch ist Nebensache, so sehr dröhnt mein Schädel.
Im Spiegel grüßt sich die wohlbekannte Leiche, die Zahncreme
schmeckt wie Feuer. Was zum Teufel habe ich geraucht?
Schmerztabletten, alle guten Dinge sind drei.
Eine Stunde später bin ich drei nichtssagende Flashbacks
schlauer, immerhin der Kopf einigermaßen mittelmäßig. Ich überlege, mir einen
runterzuholen, entscheide mich dann doch dagegen. Irgendwie ist mir gerade nach
einkaufen, das Wetter viel zu gut. Außerdem bin ich in voller Montur von
letzter Nacht, da falle ich im Penny gar nicht auf. Der Blick in die schwarze
Tiefe des Portemonnaies ist wenig überraschend und doch ernüchternd. Ach ja,
die zerbrochene EC-Karte. So ein Kack. Nach kurzem Wühlen in meinen
Hosentaschen krame ich tatsächlich einen zerknitterten 20-Euro-Schein heraus.
Freudig erregt schnippe ich mir an den Fahrradhelm.
Normalerweise komme ich mir im Penny wie ein Zivilbulle vor.
Die ganzen krummen Gestalten, die im besten Fall bis zehn zählen können und
ihre merkwürdigen Einkäufe umständlich ergrapscht zur Kasse balancieren, weil
der Einkaufswagen zu teuer ist – und dann ich, mit 300 Gramm Ingwer, reichlich
Milch und jeder Menge Tiefkühlpizza. Heute nicht. Heute bin ich einer von
ihnen. Schon beim Hereingehen heiße ich den beißenden Biergestank in meinen
Nüstern willkommen und grüße die drei Zombies, die den Pfandautomat zu bedienen
versuchen mit einem mürrischen „Hrmpf.“ Einer spuckt auf den Boden, ich nicke ihm
zu.
Die Tumulte im Kassenbereich erfüllen mich mit Vorfreude,
mich zieht es aber erst einmal in die vorgeschriebene Gehrichtung. Der Pfeil
macht automatisch Platz, ich korrigiere meinen halb geöffneten Hosenstall und
lasse den leicht fauligen Geruch alten Gemüses heraus.
Ich gehe zielstrebig an die Orte, an denen man sich tummelt.
Ich kaufe Billigcola, Chips und jede Menge Bier. Zwischen Maultaschen und
Ofenkäse geht eine mickrige Gestalt verzweifelt auf und ab. „Hast du Kleingeld
für mich?“, krächzt sie in schlechtem Deutsch. Er hat einen Rettich und eine
Dose Kidneybohnen dabei, guter Einkauf. Gemeinsam geht’s zur Kasse. Dort
altbekanntes Spektakel, das wir respektvoll beobachten.
Hinter uns steht ein verwegener Riese mit einem halben
Dutzend Bierdosen im Arm. Er sagt unentwegt „Angela Merkel“ vor sich hin und
tritt dabei an die Hacken meines neu gewonnenen Kumpanen, der sich davon nicht
stören lässt und mittellaut an seinen Fingernägeln knuspert. Um nicht aufzufallen,
lasse ich einen langen Furz in meiner Hose knattern. Der akneübersäte Säufer
vor mir dreht sich um. „Waschtinkt hierso nach Pisse?“, lallt die Antwort.
Wie alles im Penny ist die Kassiererin chronisch mies drauf.
„Nein, fümf fehl’n noch! … FÜMMPF!!!“ schreit sie den armen Vietnamesen an, der
ihr daraufhin widerstandslos sämtliches Geld in die dicken Finger mit den
gemachten Nägeln drückt. Sie donnert fünf Eurostücke auf die
Aluminiumbeschichtung, als präsentiere sie einen Royal Flush. „SOH!“
Kunstpause. „Jetz‘ hemmas!“ Nachdem er sein Kleingeld wieder mühsam aufgelesen
hat, schlurft der Mann davon, ächzend unter dem soeben erworbenen Zentner
Fritteusenfett. Wie wir alle wird er wiederkommen.
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